Seite:De DZfG 1893 10 015.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

wenigstens, im Westgothischen und Burgundischen Reiche die beiderseitigen Nationalitäten minder schroff gegenüber, als im Staate der Vandalen[1] und Longobarden. Nun konnten aber jene neuen Monarchien nur dann lebensfähig werden, wenn es den Siegern gelang, einheitliche Staatenbildungen auf Grund einer Versöhnung und Verschmelzung der beiden heterogenen Bestandtheile in’s Dasein zu rufen. Die Erfüllung dieser Lebensaufgabe wurde aber durch die feindselige Haltung der Romanischen Bevölkerungen fast unmöglich gemacht, die sich nicht mit einem passiven Widerstande begnügten, sondern sich häufig in Conspirationen mit dem auswärtigen Feind, zumal mit dem stamm- und religionsverwandten Kaiser von Byzanz, einliessen, um vom Barbarenjoch befreit zu werden. Uebrigens war für die Germanischen Sieger der religiöse Gegensatz ungleich gefährlicher als der politische. Der letztere liess sich sogar überbrücken, wenn die Germanischen Herrscher rechtzeitig zur Religion ihrer Romanischen Unterthanen übergingen. Ich erinnere z. B. an die überaus wirksame Conversion Rekared’s des Katholischen; selbst ein Geiserich würde nach der glücklichen Beobachtung eines freilich klerikalen Forschers die Katastrophe seines kurzlebigen Reiches, wo nicht verhindert, so doch mindestens recht lange hinausgeschoben haben, wenn er sich hätte entschliessen können, das athanasische Symbolum anzuerkennen[2].

Aber keine noch so grossen Beweise von religiöser und politischer Toleranz, keine noch so sehr Romanisirende Politik vermag die orthodoxe Bevölkerung mit den Germanischen Siegern

  1. Obgleich ich weiss, dass man streng genommen Wandalen, Geisarix, Hunerix, Geilamir u. s. w. sagen muss (vgl. u. a. Ferd. Wrede, Die Sprache der Wandalen, in Quellen u. Forsch. zur Sprach- u. Culturgesch. der Germanischen Völker, berausgegeben von ten Brink u. A., 59. Heft, Strassburg u. London 1886), halte ich doch an den althergebrachten Bezeichnungen Vandalen, Geiserich, Hunerich, Gelimer u. s. w. fest.
  2. Vgl. Adam Mally, Leben des hl. Fulgentius, Bischofs von Ruspe, von seinem Schüler und der fortgesetzte Culturkampf [sic!!] der Vandalen – – –; aus dem Lateinischen, Wien 1885, p.111: „– – – Politisch klüger wäre es jedenfalls von diesem Herrschergeschlechte [der Dynastie Geiserich’s, den Asdingern] gewesen, es hätte gleich dem Frankenkönig Chlodwig das katholische Christenthum angenommen und seine Grossen – – – zum gleichen Schritte vermocht, die Zukunft der Vandalen wäre eine ganz andere gewesen.“
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_015.jpg&oldid=- (Version vom 4.4.2023)