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Der erste neuere Historiker, der, meines Wissens wenigstens, Luther’s Zweifel getheilt hat, war kein geringerer als Ranke. Ihm sind O. Waltz und Maurenbrecher[1] gefolgt, während (mit Ausnahme Plitt’s) die Kirchenhistoriker und speciell die neueren Biographen Luther’s[2] an der Echtheit des Actenstücks festgehalten, bezw. sich wieder davon überzeugt haben.

Die genannten Profanhistoriker, deren Ansicht, da es sich hier nicht um Polemik handelt, füglich zusammengefasst werden darf, haben vor allem gleichfalls Anstoss genommen an der „Verdammung“ als erklärter Ketzer am 23. August unerachtet des noch in Rom anhängigen Rechtsverfahrens. Ferner daran, dass mit dieser „Verdammung“ die Sache doch im Rom hätte zu Ende sein müssen, während noch im October Cajetan dem erschienenen Luther, sowie nachher dem Sächsischen Kurfürsten mit Fortsetzung des Verfahrens in Rom gedroht und thatsächlich[3] auf eine solche gedrungen hätte.

Das Auffallende der Fristverletzung hat Kolde zugegeben, aber nicht für entscheidend erachtet, dagegen sammt Köstlin hervorgehoben, wie die in Augsburg von Cajetan wider Luther geschleuderten Drohungen[4] im Einklang ständen mit den Weisungen des Breve. Von der gleichen Seite wurde versucht, Luther’s Zweifel an der Echtheit durch Analogieschlüsse zu entkräften, und (durch Kolde) das durch das gleichzeitige Breve an den Sächsischen Kurfürsten gegebene Moment berührt. Dem letzteren Argument hat er nachher dadurch noch eine weitere Stütze verliehen, dass er in der Lage war, gleichzeitige und gleich harte Massregeln, die auf Veranlassung des Papstes der Generalvicar der Augustiner in Rom angeordnet habe, nachzuweisen[5]. Die Zweifel von Waltz an der Echtheit auch dieses Actenstücks darf

  1. Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation VI, 62. – Waltz, Zur Kritik der Lutherlegende (Zeitschr. f. Kirchengeschichte, hrsg. von Brieger Bd. II), 623 ff. – Maurenbrecher, Geschichte der katholischen Reformation 391.
  2. Kolde, Luther’s Stellung zu Concil und Kirche 36 u. 115; Ders. Staupitz 411 und M. Luther I, 180 u. 379. – Köstlin, Luther I, 229 u. 787. Von katholischer Seite Evers, Luther II.
  3. Wie Waltz gezeigt a. a. O. 625.
  4. Löscher, Reformationsacta II, 489.
  5. Gabriel Venetus an Gerhard Hecker am 25. Aug. 1518 in Zeitschr. f. Kirchengeschichte II, 476 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_004.jpg&oldid=- (Version vom 24.6.2023)