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Luther, hereticum per praedictum auditorem jam declaratum, mit Hilfe des weltlichen Arms zur persönlichen Stellung zu zwingen und ihn, bis auf weitere Befehle zur Vorführung in Rom, in Haft zu halten. Komme Luther freiwillig mit reuiger Bitte um Gnade, so sei dem Legaten verstattet, ihn wieder in den Schooss der Kirche zuzulassen: bleibe er aber in hartnäckiger Verachtung des weltlichen Arms fern, so möge Cajetan ihn sammt seinen Anhängern für ketzerisch, gebannt und verflucht erklären und öffentlich ausschreiben. Die weiteren eingehenden Bestimmungen gewähren Handhaben von grösster Schärfe gegenüber den etwa widerwilligen Landesgewalten (der Kaiser[1] ist ausdrücklich ausgenommen) und Klerikern.

Das Original ist nie an den Tag gekommen, auch in den päpstlichen Brevenregistern des vaticanischen Geheimarchives hat sich kein Concept auffinden lassen. Das Actenstück ist von Luther selbst in seinen Acta Augustana veröffentlicht. Nach seinem Ausspruch wird man wohl anzunehmen haben, dass der Legat in Augsburg davon gegenüber dem Kurfürsten Friedrich Gebrauch gemacht hat. Luther selbst erhielt es Ende October auf der Rückreise von Augsburg in Nürnberg durch Zusendung Spalatin’s, der ihm schon vorher wiederholt darüber Mittheilung gemacht hatte. Luther hat[2] damals wie später das Breve mit aller Entschiedenheit für untergeschoben gehalten. Er mass in dem von der Sächsischen Censur geschwärzten Eingang seiner postilla super breve die Fälschung dem Cardinal selbst bei[3]. Seine Argumente werden uns später beschäftigen.

Den zeitgenössischen Geschichtsschreibern wie Anshelm, Scheurl, Sleidan hat das Breve als erwünschtes Material gedient. Aus den Briefen des Juristen Chr. Scheurl, der bei Luther’s Durchreise in Nürnberg Kenntniss erhalten hatte, geht hervor, dass er seine Zweifel keineswegs billigte[4].

  1. Sicherlich in Folge seines Schreibens vom 5. August. Vgl. meinen Maximilian I. Bd. 2, 728.
  2. Von anderen Aussprüchen abgesehen (s. Ranke, Deutsche Geschichte VI S. 62 f.) hätte er sonst unmöglich am 19. November dem Kurfürsten von Sachsen bezüglich des von Cajetan verlangten Widerrufs klagen können: quasi jam haereticus, apostata et extra ecclesiam essem declaratus. Luther’s Briefwechsel, hrsg. v. Enders I, 291.
  3. Kritische Gesammtausgabe II (Weimar 1884) S. 23.
  4. Briefbuch, herausgeg. von Soden und Knaake II, 58 u. 62.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_003.jpg&oldid=- (Version vom 24.6.2023)