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Prof. Stieve’s in ihrem ersten Satze leugnet, dass der G.-Unterr. „in systematischer Weise“ für das öffentliche Leben vorbereiten soll, kann er andere Kenntnisse und Bildungselemente ja auch nicht meinen, als die, welche nach Ansicht der Correferenten zur echten rein historischen Bildung gehören. Der Unterschied zwischen dem Antrag Prof. Stieve’s und den abgelehnten Thesen Prof. Kaufmann’s ist also kaum mehr, als ein redactioneller; es sind zwei leicht verschiedene Schattirungen derselben Farbe; und ich glaube dabei bleiben zu dürfen: der Antrag Prof. Stieve’s konnte als eine inhaltlich kaum abweichende Umformung der Kaufmann’schen Thesen gelten, er stand in seinen ersten principiellen Sätzen in geradem Gegensatz zu den Thesen Herrn Dir. Martens’, und wenn dieser trotzdem seine These zu Gunsten jenes Antrages zurückzog, so verliess er entweder seinen früher eingenommenen principiellen Standpunkt – oder er gab wie andere Theilnehmer der Versammlung gewissen schwer zu definirenden Eindrücken nach, die durch die nicht sehr glückliche Formulirung des Stieve’schen Antrages, auf die ich noch zu sprechen komme, gefördert wurden. Es war eben eine Nachmittagssitzung, und wir alle waren erschöpft und abschlussbedürftig. – Um so mehr müssen wir jetzt nachträglich Klarheit zu schaffen suchen.

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5. Ich hoffe, Herrn Martens nichts zu imputiren, sondern seine eigenen Andeutungen und die Aeusserungen anderer Mitglieder der Versammlung richtig aufzufassen, wenn ich sage: was die Stieve’sche These für ihn und einige andere Herren erst annehmbar machte, war der Schluss („und zwar insbesondere durch Erweckung der Vaterlandsliebe und eines strengen Pflichtbewusstseins gegen den Staat“), der auf mein Verlangen getrennt zur Abstimmung gekommen ist und dabei mit schwacher Mehrheit abgelehnt wurde. Dieser Schluss stammt nun zwar direct aus den Thesen Prof. Kaufmann’s, der doch in der Debatte den Grundanschauungen Dir. Martens’ so scharf entgegengetreten war, aber die Worte hatten in der zusammengedrängten Stieve’schen These erhöhte Bedeutung erhalten. Es scheint mir desshalb nur consequent von Herrn Martens, dass diese Schlusswendung, und nicht die im Hauptsatze ausgesprochene principielle Ablehnung jeder Tendenz für ihn „der weitaus wichtigste Theil“ der These war, aber es scheint mir damit zugleich auch meine Auffassung seiner ganzen Stellungnahme bestätigt zu werden. Die wahre Bedeutung dieser Schlussworte war eben, dass sie die Erziehung zu einer bestimmten Gesinnung, die in den Anfangsworten principaliter so entschieden zurückgewiesen war, für zwei besondere Bestandtheile der Gesinnung wieder einführten, ohne das doch geradezu zu sagen.

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Es sei gestattet, dabei zur Klarstellung etwas länger zu verweilen, als diese Erwiderung erfordern würde. Schon in den Kaufmann’schen Thesen war „die Erweckung von Vaterlandsliebe und Pflichtbewusstsein gegen den Staat“ in einer, wie mir scheint, unmethodischen Weise auf eine Linie gestellt mit „histor. Wissen“ und „histor. Sinn“, und war zusammen mit ihnen subsumirt unter den Begriff der „histor. Bildung“, als dritter Hauptbestandtheil dieser Bildung, während in Wirklichkeit doch damit ein neuer Gedanke vorgebracht wurde, der neben die Forderung rein historischer

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_326.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2023)