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mir nicht imponiren. Bekanntlich irren sich die Sachverständigen manchmal. Und nicht bloss die Sachverständigen. Ich gebe gern zu, dass ich zweimal consules statt consuli habe drucken lassen – es kam übrigens in dem Zusammenhange gar nicht auf die Lateinische oder Italienische Wortform an –; ich gebe sogar zu, dass ich den Namen Alianelli „hartnäckig“ mit zwei l schreibe; ich gebe weiterhin zu, dass ich mich über die Correctheit der Daten der Urkunde aus Siponto geirrt habe. Ich kann zwar die Angaben Schaube’s über meinen Fehler nicht controlliren, da mir Gattula, Accessiones augenblicklich nicht zugänglich ist, aber ich glaube es ihm gern – dergleichen Flüchtigkeiten kommen bei mir leider vor. Und da Wattenbach die von mir citirte Urkunde in das Jahr 1064 gesetzt hat, so zweifle ich nicht, dass ein Widerspruch besteht zwischen dem Jahre der Indiction und dem Jahre der Regierung des Kaisers. Dieser Widerspruch beweist aber gar nichts gegen die Echtheit der Urkunde. Ganz und gar nichts – ebensowenig, wie der Erzbischof Girardus, von dem „man“ „bisher“ annahm, dass er erst im Jahre 1066 Oberhirt der Kirche von Siponto geworden sei. Oh, was muss doch Deutschland für ein gelehrtes Land sein, dass es sogar eine communis opinio über den Erzbischof Girardus von Siponto gibt! Nun, Wattenbach gehört jedenfalls nicht zu den „man“; oder sollte Wattenbach gar unter die Entdecker gegangen sein? Die Angabe von Gams und Cappelletti stammt nur daher, dass Leo von Ostia von der Einsetzung des Erzbischofs zufällig an einer Stelle spricht, wo er vorher von Ereignissen des Jahres 1066 und nachher von Ereignissen des Jahres 1067 erzählt. Bis auf Weiteres muss man also die Urkunde für echt halten. Die Echtheit würde ich auch aus dem Sprachgebrauch erhärten können, wenn mir die Urkunde vorläge: ich bitte Schaube den Text mit den gleichzeitigen Urkunden bei Trinchera zu vergleichen. So schlau waren nun aber die Fälscher mittelalterlicher Urkunden in der Regel nicht, dass sie sich auf Nachahmung des Sprachgebrauchs einliessen.

Zum Schluss kann ich nicht umhin, mein Bedauern auszusprechen, dass mir Schaube’s Arbeit über das Consulat des Meeres zu Pisa nicht vor Publicirung meines Aufsatzes bekannt geworden ist. Ich würde mich in diesem Falle näher auf eine Würdigung der gegen die Echtheit des Datums vorgebrachten Gründe eingelassen haben – und wer weiss, ob ich dann nicht zu einem anderen Resultate gekommen wäre. Für heute aber bin ich durch Schaube nicht überzeugt. Ich möchte übrigens Schaube nur bemerken, dass er gar keinen so grossen Anlauf zu nehmen brauchte, wenn er über den „Entdecker“ wegspringen wollte: dieser ist ein ganz bescheidener Mann und gar nicht stolz auf seine Entdeckung.

Hans von Kap-herr.     
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_289.jpg&oldid=- (Version vom 28.3.2023)