Seite:De DZfG 1893 09 219.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

habe ihn nicht aufgefordert zu schreiben; im Gegentheil, die Leute, die darüber mit ihm sprachen, haben nicht daran gedacht, dass Calvin an die Herzogin schreiben könne; auch sei er nicht etwa durch einen ihrer Hausgenossen dazu angeregt, er schreibe zu Niemands Gunsten, sondern allein um der göttlichen Wahrheit willen.

Der Brief wendet sich zunächst gegen Meister François, welchen er aus persönlicher Kenntniss und langer Erfahrung als einen Menschen schildert, der aus Ehrgeiz und Habsucht das bischen Schriftverständniss, das ihm Gott verliehen, an angesehene und reiche Leute, die darnach begehren, verkaufe, wenn ihm aber dies übel gerathen wolle, gleich die Verleugnung in Bereitschaft halte. Die Herzogin solle nur die Probe machen, so werde sie finden, dass er das Wort Gottes bloss so weit predige, als er denke, ihr damit zu Gefallen zu reden und dafür Lohn zu ernten, ohne doch nach anderer Seite Anstoss zu geben, wo er Nachtheil zu befürchten habe. Alsdann spricht Calvin von der Messe, die er mit den ihm geläufigen stärksten Ausdrücken verurtheilt. Dem Einwand, dass man die Schwachen schonen müsse, stellt er die Pflicht entgegen, göttliche Gebote und Verbote zu befolgen und nicht durch unser Beispiel des Ungehorsams unsere Nebenmenschen ins Verderben zu führen. Er schliesst mit Ermahnungen, die unverkennbar der Lage und Haltung der Fürstin angepasst sind und einen Tadel leise andeuten, obgleich er ausdrücklich ablehnt, ihr über das, was sie thun und lassen soll, Vorschriften geben zu wollen[1].

Von diesem Schreiben liegt uns nur ein Concept vor ohne Datum. Herminjard hat festgestellt, dass es nicht nach Ende 1541 abgefasst sein kann. Ich glaube es in das Jahr 1537 setzen zu müssen. Dass die Weigerung der Dame Boussiron, in die Messe zu gehen, erst nach Jahren zur Reife gekommen sein sollte, ist in hohem Grade unwahrscheinlich. Die Erörterung

  1. Puys doncques, Madame, quil a pleu a ce bon Seigneur Dieu par sa misericorde infinie de vous visiter par la cognoissance de son nom et vous illuminer en la verite de son sainct evangile, recognoissez vostre vocation a la quelle il vous appelle. – – – Et surtout nous bien garder de restraindre son esperit, comme font ceux qui ferment les yeulx et les aureilles a la verite evidente, estans contens de ignorer ce que le Seigneur leur veult faire congnoystre. Ce nest pas ainsi quil nous fault faire, de paour que le Seigneur ne punisse ung tel contemnement et ingratitude en nous etc.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_219.jpg&oldid=- (Version vom 28.3.2023)