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gesprochen und, soweit es die damalige Lage der Dinge gestattete, sie in ihren frommen Bestrebungen bestärkt. Der Aufenthalt war kurz: „Ich habe“, pflegte er zu sagen, „den Boden Italiens betreten, um ihn wieder zu verlassen“.

Romantische Sagen, die später entstanden sind, von Gefahren und Abenteuern bei Verkündung der neuen Lehre, und wie er das eine und das andere Mal mit genauer Noth dem Verderben entronnen, haben vor der Kritik weichen müssen. Die eine ist von Rilliet[1] beseitigt und abgethan worden, die andere, zuletzt durch Lecoultre[2] ausführlich erörtert und abgewiesen, hat neuerdings Fontana[3] festzuhalten versucht: mit grosser Anstrengung, doch fruchtlos.

Ich halte nicht für nöthig, auf die zuletzt angedeutete Frage, ob nämlich Calvin zu Ferrara in die Hände der Inquisition gerathen sei, hier näher einzugehen. Doch will ich sie nicht erwähnt haben, ohne zur Unterstützung der treffenden Ausführungen Lecoultre’s zwei Zeugnisse nachdrücklich hervorzuheben, die für sich allein, wie mir scheint, hinreichen, um alle Zweifel zu heben und den Streit abzuschliessen. Das eine ist ein Brief du Tillet’s, des Reisegefährten, in welchem die vorsichtige Zurückhaltung Calvin’s in den Kreisen Andersgläubiger betont wird[4]. Das andere ist der von Lecoultre erwähnte Brief des Deutschen Humanisten und Mediciners Johann Sinapius, der beweist, dass es Calvin wirklich gelungen ist, in Ferrara sein Incognito zu bewahren. Sinapius hat ihn nämlich damals in Ferrara persönlich

  1. Rilliet, Lettre a M. Merle d’Aubigné sur deux points obscurs de la vie de Calvin. Genève 1864.
  2. Lecoultre, Le séjour de Calvin en Italie. Revue de théologie et de philosophie. Lausanne 1886.
  3. Fontana, Documenti dell’ archivio Vaticano e dell’ Estense circa il soggiorno di Calvino a Ferrara. Archivio della Società Romana di storia patria. Roma 1885.
    Fontana, Renata di Francia duchessa di Ferrara, sui documenti dell’ archivio Estense, del Mediceo, del Gonzaga e dell’ archivio secreto Vaticano, 1510–1536. Roma 1889.
  4. Louis du Tillet an Calvin. Paris 1538 Dec. 1. Herminjard, Correspondance des réformateurs dans les pays de langue française. V, 197. Si je voulois, je dirois bien que cest devant ceulx a la plus grand part ou aux principaulx desquels vous scavez que vostre doctrine est agreable, non pas ailleurs, que vous la maintenez; car vous avez abandonne vostre nation pour ce que vous ne ly avez ose divulguer et maintenir publiquement.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_204.jpg&oldid=- (Version vom 27.3.2023)