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Strassburg, es kennen gelernt hat, welche Verwüstungen im historischen Zusammenhang der Archivalien das unverständige Zwangsschema des Französischen Inventaire sommaire des archives municipales angerichtet hat, wird diese bureaukratische Schablone aus dem Grund seines Herzens verwünschen. Die Existenz von guten und in Ruhe gearbeiteten handschriftlichen Repertorien ist die Vorbedingung für die Publication, und desshalb wird kein Fachmann zur Ueberstürzung drängen, wo diese Vorbedingung fehlt. Aber rechtfertigen diese Erwägungen es, dass in Deutschland auf diesem Gebiete so wenig und von Seiten unserer grössten Staatsarchivverwaltung rein gar nichts geschieht? Seit vielen Jahren verfügt dieselbe über Mittel zu „Publicationen aus den Preussischen Staatsarchiven“. Die ersten Publicationen, die der Forscher da erwarten sollte, sind Archivinventare oder doch Archivübersichten. Noch kein Band dieses Inhalts ist jedoch erschienen.

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In der erwähnten Festgabe haben wir uns noch mit einer zweiten Frage der Archivbenutzung beschäftigt, die bisher in der Zeitschrift nicht zur Sprache gekommen ist, von dem Referenten des Historikertages aber in sehr wirksamer Weise behandelt wurde, mit der Geheimhaltung von Archivalien, die man aus polit. Rücksichten glaubt verfügen zu müssen. Bei der immer extensiver und intensiver werdenden Beschäftigung mit neuester Geschichte und der zugleich immer liberaler gewordenen Praxis der meisten Archivverwaltungen muss es um so mehr als eine kleinliche Kurzsichtigkeit erscheinen, wenn andere Verwaltungen aus Rücksicht auf das „Staatsinteresse“ die Benutzung von Acten aus der ersten Hälfte, sogar aus dem ersten Viertel dieses Jahrhunderts verweigern. Gerade in der letzten Zeit sind uns verschiedene solche Fälle bekannt geworden, in denen es sich u. A. um das Münchener Staatsarchiv handelte. Typisch ist der Fall, dass ein Forscher für seine Arbeit zwei oder drei Archive benutzt hat und im vierten verschlossene Thüren findet. Die Folge ist natürlich in der Regel, dass es ihm erschwert ist, der Politik des Staates, dessen Archiv ihm unzugänglich blieb, gerecht zu werden. Werden ihm z. B. die Baierischen Acten vorenthalten, während er die Preussischen, Oesterreichischen und Französischen benutzen durfte, so sieht er die Baierische Politik durch Preussische, Oesterreichische und Französische Brillen!

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Die Verwaltung des Stadtarchivs zu Speyer, die bisher von der Stadtkanzlei besorgt wurde, ist seit vorigem Jahre einem Fachmann, dem k. Kreisarchivar Dr. J. Mayerhofer, provisorisch übertragen worden. Es ist zwar nicht, wie eine Zeitungsnotiz wissen wollte, bei dieser Gelegenheit ein „bisher unbekannter wahrer Schatz“ entdeckt worden, aber immerhin darf man erwarten, dass das bisher wenig beachtete Archiv durch die fachmännische Verwaltung der Forschung bequemer zugänglich werden wird. Zur allgemeinen Orientirung geben wir hier einige Notizen, die wir der Güte des Herrn Kreisarchivars verdanken und die zugleich die Angaben in Burkhardt’s Hand- und Adressbuch ergänzen und berichtigen. Das Archiv der ehemaligen Reichsstadt ist überraschend gut erhalten. Die Ordnung desselben, wie sie noch besteht, ist in den Grundzügen eine sehr zweckmässige und rührt von dem am 18. August 1836 verstorbenen k. Kreisarchivar Peter Gayer her, der auch ein Repertorium verfasst hat. Das

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_185.jpg&oldid=- (Version vom 23.3.2023)