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Zurückhaltung, sondern auch Prof. Lamprecht warnte davor, die im Fluss befindliche Forschung und deren Probleme in den Unterricht hineintragen zu wollen. Dir. Martens hatte ebenfalls in seinen Thesen der politischen Geschichte die erste Stelle angewiesen, wollte aber die Culturgeschichte doch augenscheinlich stärker als die Correferenten betont haben. Auf seinen Standpunkt stellte sich Prof. Böhtlingk, und nicht unwahrscheinlich ist es, dass bei einer genauer eingehenden Erörterung der Frage diese Ansicht gegenüber der vielleicht gar zu weit gehenden Zurückhaltung der genannten vier Herren noch stärker zum Wort gekommen wäre.

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Seiner Forderung, dass jede politische und kirchliche Tendenz dem Unterricht fern bleiben müsse, hatte Prof. Kaufmann auch in dem Verlangen Ausdruck gegeben, dass die Schüler im Geschichtsunterricht nicht nach Confessionen getrennt werden dürften, wie es hie und da noch geschieht. Lebhaften Widerhall fand dieser Gedanke in Ausführungen Prof. Vogt’s über den Eindruck unbefangener Würdigung grosser histor. Erscheinungen gerade durch Angehörige der fremden Confession. Ein Widerspruch wurde auch von katholischer Seite nicht erhoben, – ob vielleicht nur, weil die These nicht speciell zur Discussion stand, muss dahingestellt bleiben.

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Vielfach berührt, aber in sehr verschiedenem Sinne, wurde die Frage, wie weit und in welcher Weise der Geschichtsunterricht Belehrung über die Zustände des gegenwärtigen öffentlichen Lebens zu geben hat, ob sich ihm also eine Art von „Bürgerkunde“ anschliessen soll. In der Stieve’schen These, die die „systematische“ Vorbereitung für das öffentliche Leben durchaus verwirft, könnte man sehr wohl schon eine Ablehnung dieses Gedankens finden; sicher aber war das nicht die Meinung aller Theilnehmer, welche für die These stimmten. Dass man nicht polit. u. nationalökon. Theorien lehren könne, war wohl ziemlich allgemein die Ansicht der Versammlung und wurde von Prof. Lamprecht für das wirthschaftliche Gebiet besonders ausgeführt. Die Forderung aber, dass die Schule das rein Thatsächliche über die wichtigsten Verfassungs-, Rechts- und Wirthschaftsverhältnisse mitzutheilen habe, wurde von mehreren Rednern, so von Prof. Böhtlingk, der dem Deutschen Studenten den 13jährigen Schweizer Volksschüler als Muster vorhielt, von Prof. Kaufmann und Archivar Dr. G. Winter (aus Magdeburg), sehr entschieden vertreten, von Anderen wie Prof. Dove, wenn auch mit einer leisen Skepsis an dem Nutzen, doch auch anerkannt, während Oberl. Dr. Klatt (aus Berlin) behauptete, das Wesentlichste, was man verlange, eine genaue Kenntniss der Deutschen Reichsverfassung, sei schon jetzt bei jedem Schüler zu finden, und während noch Andere, wie Prof. Prutz, Prof. Lamprecht und Prof. Kropatscheck, die Berechtigung der ganzen Forderung bestritten. Prof. Kr.’s Widerspruch richtete sich gegen diese „Bürgerkunde“ besonders in der Ausdehnung, die ihr der 2. Referent Prof. Kaufmann, geben wollte. Auch die Kenntniss gewisser wichtiger Einrichtungen des Geschäftslebens wünschte dieser in sie hineinzuziehen, dafür freilich sie in die Mittelclassen zu verlegen und sie vom Geschichtsunterricht völlig loszutrennen. Diese letztere Ansicht wurde auch sonst getheilt, während Dir. Martens die „Bürgerkunde“ mit der neuesten Geschichte vereinigen wollte. Gewiss liegt ja in der Verbindung dieses

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_162.jpg&oldid=- (Version vom 22.3.2023)