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für Parteizwecke zurück. Die Majorität, die den Schluss der These strich, ist freilich keine starke, sie stand der Minorität kaum wie 4 zu 3 gegenüber; aber diese Majorität wiegt doppelt, da sie sich bewusst war, mit ausdrücklicher Ablehnung der Sätze, welche die Vaterlandsliebe und die Pflicht gegen den Staat betonten, einen Schritt zu thun, der einer unangenehmen Missdeutung ausgesetzt war. Der leitende Gedanke dabei, wie ihn der Herausgeber dieser Zeitschrift als Antragsteller unmittelbar vor der entscheidenden Abstimmung kurz dargelegt hatte, und wie er sich im übrigen aus der Debatte ergibt, war der, dass der erziehende Einfluss des histor. Unterrichts und seine sittliche Kraft ganz in der Ausbildung eines objectiven historischen Verständnisses enthalten sei und dass sich die Anwendung auf mannigfache sittliche Verhältnisse auch des öffentlichen Lebens daraus von selbst ergebe, dass man aber, wenn man die Vaterlandsliebe und die Pflicht gegen den Staat einseitig hervorhebe, der Tendenz, die man im Eingang der These principiell zurückgewiesen hatte, eine Hinterthür öffne. Neben der Pflicht gegen den Staat hätten auch andere Factoren unseres Culturlebens und die Respectirung der Individualitäten das Recht genannt zu werden; neben der Vaterlandsliebe müsste man auch die Befreiung von nationaler Einseitigkeit nennen, um nicht nationaler Tendenz, die doch eben auch eine Tendenz ist, Vorschub zu leisten.

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Wir dürfen also das Ergebniss dahin zusammenfassen: mit einer überwältigenden Mehrheit hat die Versammlung grundsätzlich erklärt, dass der Geschichtsunterricht nicht systematisch für das öffentliche Leben vorbereiten oder auf eine bestimmte Gesinnung hinzielen dürfe; und mit einer schwachen Mehrheit hat sie es, um jede Tendenz auszuschliessen, abgelehnt, auch nur die Erweckung der Vaterlandsliebe als ein besonderes Ziel des Unterrichts in bezeichnen.

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Andere Thesen sind, wie gesagt, nicht mehr zur Abstimmung gekommen, in einigen Fragen aber ist doch die Meinung der Versammlung ziemlich deutlich hervorgetreten.

Um mit den Beziehungen zum öffentlichen Leben zu beginnen, so ist mit Annahme der verkürzten Stieve’schen These eigentlich schon das Verlangen des Referenten, den culturgeschichtlichen Unterricht auf eine Bekämpfung der socialdemokratischen Ideen zuzuspitzen, abgelehnt worden; dieses Verlangen war von verschiedenen Rednern, besds. Prof. Kaufmann, unter dem Beifall der Versammlung bekämpft worden und auch nach sonstigen Anzeichen ist wohl anzunehmen, dass sich eine starke Mehrheit gerade gegen diese Forderung zusammengefunden hätte.

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Ebenso überwog offenbar in der Versammlung eine vorsichtige Zurückhaltung gegenüber dem Verlangen, dass die Culturgeschichte in den Vordergrund des Interesses treten sollte. Nicht nur stellten die beiden Correferenten Thesen in dem Sinne auf, dass die politische Geschichte das Centrum des Unterrichts bleibe und die Culturgeschichte ihr unterzuordnen sei, und nicht nur erhob Prof. Prutz seine Stimme für solche

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_161.jpg&oldid=- (Version vom 22.3.2023)