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die Adalbert „latenter quasi fugam moliens“ ins Werk setzt. Eine solche passt aber auch für Polen; ja wir finden in einer vorzüglichen Quelle geradezu einen deutlichen Hinweis, dass die Beziehung auf Polen die richtige sei. Canaparius (Cap. 27) und Brun (Cap. 24) berichten nämlich, dass Boleslaus dem Bischof auf dessen Verlangen die nöthigen Hilfsmittel für die weitere Mission gewährte, Brun deutet aber auch an[1], Boleslaus hätte den vorzüglichen Mann gern noch länger bei sich behalten. Es ist nun leicht denkbar, dass unter solchen Umständen der Bischof, von Tag zu Tag hingehalten, sich endlich heimlich davonmachte. Die Stelle in unserer Passio ist nur deshalb dunkel, weil sie sich darauf beschränkt, die letztere Thatsache ohne die Motive zu berichten, was übrigens neuerdings auf den Umstand hindeutet, dass sie ein Auszug sei.

Unsere Auffassung wird unterstützt durch folgende Stelle aus der Vita s. Adalberti, welche Dobner in seinen Mon. hist. Boem. I, 57 ff. veröffentlicht hat: – – – beatus Adalbertus – – – Poloniam repedavit – – – postea cum proditus duci fuisset, fugit in Prussiam – – – . Also auch nach dieser Quelle flieht Adalbert, und zwar ausdrücklich aus Polen, natürlich nicht, wie sich übrigens aus dem Zusammenhange der Stelle[2] klar ergiebt, vor Feindseligkeiten des Herzogs, sondern offenbar, weil er durch dessen allzugrosse Zuneigung zurückgehalten zu werden fürchtet[3]. Die citirte Nachricht der Vita bei Dobner, welche eine wirre Compilation aus mehreren Quellen ist, mag aus einer ältern glaubwürdigen Adalbertslegende geschöpft sein.

Ist die obige Erklärang der Worte „quasi latenter fugam moliens“ richtig, so sind wohl alle Schwierigkeiten beseitigt, welche uns hindern, der paläographisch begründeten Lesart zu folgen. Richtig ist also: Mestris = Meseritz.

III. Noch immer ist es die herrschende Ansicht[4], dass die Passio eine Originalarbeit sei und gleich nach dem Tode Adalbert’s aufgezeichnet wurde. Die Unhaltbarkeit der ersteren Behauptung dürfte

  1. Cap. 24: Complet dux [Boleslaus] jussa spiritualis patris [Adalberti]; quamvis, ut secum staret, divitem voluntatem haberet, occurrere sancto proposito non ausus erat. Die letzten Worte widersprechen sicher nicht unserer Auffassung im Texte. Mon. Germ. SS. IV, 607.
  2. a. a. O. S. 58.
  3. Vgl. das Verhältniss des Mönches Benedict zu Boleslaus in Brun’s Vita quinque fratrum. Mon. Germ. SS. XV, 2, S. 728.
  4. Vgl. Wattenbach, Geschichtsquellen I6, 353; Waitz in der Einleitung zu seiner neuen Ausgabe Mon. Germ. SS. XV, 2, 705; über das Allgemeine Zeissberg, Poln. Geschichtschreibung a. a. O. und Giesebrecht, Gesch. d. Dt. Kaiserzeit I5, 789.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_107.jpg&oldid=- (Version vom 20.3.2023)