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der Provinz betreffen würden, ohne aber Gegenstände des Interesses eines einzelnen Landes auszuschliessen.

Indessen der Schwärmerei für ständische Versammlungen „der einzelnen Lande oder Ländchen“ im Westen wurde von anderer Seite mit scharfem Widerspruch begegnet. Mit diesem verband sich häufig der Hinweis auf die grossen socialen Wandlungen, die Zerstücklung des Landeigenthums, das Aufhören der grundherrlichen Polizei- und Gerichtsgewalt, die Säcularisation geistlicher Corporationen, wodurch eine ganz neue Zusammensetzung der Provinzialstände bedingt werde. In einem anonymen Aufsatz „über eine ständische Repräsentation auf dem linken Rheinufer“ hiess es: „Die Gründung der Rheinischen Provinzialstände auf die Basis der alten ständischen Verhältnisse oder in Anknüpfung an dieselben würde zwei einander höchst unähnliche Epochen in Anspruch nehmen – – die frühere ist bis auf die letzten Spuren verschwunden“. Der ungenannte Verfasser setzt auseinander, wie gross die Verschiedenheiten der alten Territorialstände waren und wie sie „ihr einzelnes Interesse“ verfolgten, während es heute besonders auf „das der ganzen Provinz“ ankomme. Er empfiehlt für eine provinzialständische Versammlung, und zwar des ganzen linken Rheinufers, Theilung in zwei Kammern. In der ersten denkt er sich auf Lebenszeit stimmberechtigte Männer, „die durch die Masse und den Umfang ihres Besitzes an Grundeigenthum, an Capital, an grosser Gewerbs- und Fabrikthätigkeit und an Intelligenz von selbst zur Repräsentation berufen sind“. In der zweiten gewählte Repräsentanten, „an deren Wahl jeder selbständige Staatsbürger durch Theilnahme an der Bildung der Wahlcollegien mitwirkt“. Ein Beschlussrecht will er nur der zweiten provinzialständischen Kammer zugestehen, der ersten das Recht der Verwerfung oder der Sanction. Zur Competenz der provinzialständischen Versammlung rechnet er vornehmlich: Vertheilung der für die Provinz angesetzten Steuerquote, Beschliessung der Erhebung ausserordentlicher Geldmittel für die Bedürfnisse der Provinz auf Antrag der Regierung, Berathung und Begutachtung von Gegenständen, die das Wohl der Provinz betreffen. Will er das Publicum höchstens „bei den Eröffnungs- und Abstimmungssitzungen“ zugelassen wissen, so hält er „treue Bekanntmachung durch den Druck“ für unerlässlich.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_067.jpg&oldid=- (Version vom 20.3.2023)