Seite:De DZfG 1893 09 024.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

würde sein Kaiserbuch dem Ruhm und der Würde der mächtigen Familie Prefetti di Vico mehr geschadet als genützt und ihm selbst ein gutes Stück Nachtheil und Spott eingetragen haben.

Eine ganz andere Gruppe von Erzählungen über die Jugend Constantin’s des Grossen, welche zu dem von mir herausgegebenen Lateinischen Constantinroman keine Beziehungen hat, begegnet uns im Altfranzösischen. Eine in dieser Sprache geschriebene Novelle des 13. Jahrhunderts[1] berichtet Folgendes:

Ein heidnischer Kaiser Muselins, der in Byzanz herrscht, hört einst von einem Astrologen, dass dessen Sohn seine Tochter zum Weibe nehmen und selbst Kaiser werden würde. Muselins bezweifelt diese Prophezeiung, worauf der Astrologe behauptet, dass es grade so kommen müsse, wie er es gesagt und in den Sternen gelesen habe. Der Kaiser aber ist gesonnen, die Ausführung dieser Prophezeiung von Grund aus unmöglich zu machen; er lässt den neugeborenen Knaben von seinem Ritter rauben und ihm den Bauch aufschlitzen; er will ihm mit eigener Hand das Herz herausziehen, wird aber von seinem Ritter aufgehalten, welcher das für todt geglaubte Kind ins Meer zu werfen verspricht, es aber aus Mitleid vor einem Kloster aussetzt. Das Knäblein wird von dem Abte gefunden und von ihm einem Arzte anvertraut, der für seine Kur 100 Goldstücke fordert, aber mit 80 sich begnügen muss. Daher des Knaben Name: Coustant „pou çou k’il sanbloid k’il coustoit trop à garir“. Der Knabe gesundet, wird von dem Abte in die Schule gegeben, wo er erstaunliche Fortschritte macht; als schönen, 15jährigen Jüngling sieht ihn zufällig der Kaiser bei einer Zusammenkunft mit dem Abte, von dem er die Geschichte des Fremdlings erfährt. Er bittet sich den Knaben aus, was auch die Klosterbrüder willig gewähren, und sinnt wieder, wie er jenen Bettler, der seine Tochter heirathen soll, sich aus dem Wege schaffe. Er sendet ihn an seinen Castellan in Byzanz mit einem Briefe, in welchem er letzterem den Befehl ertheilt, den Ueberbringer sogleich zu tödten. Der Brief aber gelangt in die Hände der Kaiserstochter, welche sich in den schönen Jüngling verliebt und dem vor Müdigkeit Eingeschlafenen statt des entwendeten einen anderen, von ihr selbst

  1. Moland et d’Héricault, Nouvelles françaises en prose du XIII. siècle I, S. 3–32.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_024.jpg&oldid=- (Version vom 19.3.2023)