Seite:De DZfG 1893 09 021.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

der von mir herausgegebene „Constantinroman“ die ausführlichste Redaction[1].

Die vereinigte Wiedererkennungs- und Piratengeschichte wurde dann auch auf andere Personen und Gegenden übertragen. Dies erhellt aus der unter Boccaccio’s Namen gehenden[2] Novelle „Urbano“. An die Stelle des Constantius ist hier Kaiser Friedrich Barbarossa getreten, dessen Sohn Urbano mit der Tochter des Sultans von Aegypten vermählt wird und die nämlichen Abenteuer besteht wie Constantin der Grosse im libellus de Constantino Magno[3]. Eine andere Uebertragung sehen wir an einem sehr seltenen[4] Kaiserbuche, welches[5] von Giovanni di Buonsignori da Castello in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts geschrieben ist. Derselbe hat einen guten Theil der Constantinlegende eingefügt, die er bei seiner Armuth an Erfindungskraft benutzt hat, um die edle Familie der Prefetti di Vico abstammen zu lassen von Julius Caesar und Aeneas. Er erzählt, dass Selvaggio, der Sohn des Aegyptischen Königs Pompilius, eines Nachfolgers des Caesario, dessen Eltern Caesar und Cleopatra gewesen waren, unter der Pflege der Diosida erst in Laurentum, dann in Rom aufwächst, von hier durch Kaufleute auf Schiffen nach dem Königreich Tarsia[6], wo König Archelaus und seine

  1. Coen hat in seinem wiederholt citirten Buche Di una leggenda etc. S. 27 für den unbekannten Autor meiner editio princeps den Namen anomymus Heydenreichianus eingeführt.
  2. Die Autorschaft des Boccaccio wird gegen Landau, Giovanni Boccaccio; Sein Leben und seine Werke (Stuttgart 1877) S. 244 ff. und gegen Körting, Boccaccio’s Leben und Werke (Leipzig 1880) S. 676 ff. von Coen, Di una leggenda S. 87 ff. mit gewichtigen Gründen in Zweifel gezogen.
  3. Heydenreich im Archiv f. Lit.-G. X, 348 f. und Coen, Di una leggenda S. 87 ff.
  4. Es existiren zwei Ausgaben, eine vom Jahre 1488, die andere vom Jahre 1510. Venedig, bei Simone de Luere.
  5. Coen, Di una leggenda S. 108 ff.
  6. Ein Reich von Tarsa oder Tarsia wird in den Urkunden des 14. und 15. Jahrh. erwähnt, aber als in Centralasien gelegen, nicht zugänglich für die Schiffahrt auf dem Mittelmeer. Aber Buonsignori war ein schlechter Geograph. Er will andere Namen setzen für die in der Legende und anderwärts gefundenen und substituirte daher frischweg für das Byzantinische Reich das Königreich Tarsia, das sich auf den geographischen Karten seiner Zeit zwar vorfand, doch aber nicht mit völliger Sicherheit in seiner Lage bestimmt werden kann. Vgl. darüber Coen, Di una leggenda S. 118 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_021.jpg&oldid=- (Version vom 19.3.2023)