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der unbekannte Verfasser entweder selbst vοn Nation ein Romane war oder – was sich gegenseitig nicht ausschliesst – nach einem in einer Romanischen Sprache verfassten Originale arbeitete.

Man hat auch den Gebrauch einer Reihe vοn Germanismen im Latein meines Anonymus nachweisen zu können gemeint. Allein die angeführten sprachlichen Erscheinungen können auch als Wirkung eines Altfranzösischen oder Altitalienischen Originales aufgefasst werden. Die Annahme[1], dass der unbekannte Verfasser des libellus de Constantino Magno ein Deutscher sei, darf jedenfalls nicht als erwiesen betrachtet werden[2].

Die älteste Gestalt der im Lateinischen Constantinroman enthaltenen Sagen weiss von der Entführungsgeschichte durch betrügerische Kaufleute nichts, sondern berichtet ausser der Geburt nur die merkwürdige Wiedererkennung des Kaisersohnes durch den Vater, wie dergleichen Auffindungsscenen seit der Griechischen und Römischen Komödie beliebt waren. Als Vertreter dieser Sagengruppe mag das Griechisch geschriebene Eusignius-Martyrium angeführt werden, auf welches zuerst Coen[3] aufmerksam gemacht hat. Verfasser desselben war angeblich Eustachius, Diakonus an der Kirche zu Antiochien, ein Verwandter des heiligen Eusignius und, wie es heisst, Zeuge seines Martyriums. Dasselbe soll geschehen sein 362 unter Julianus Apostata, als Eusignius, der 60 ganze Jahre unter Constantius Chlorus, Constantinus Magnus und Constantius II. gedient hatte, ein Alter von 110 Jahren erreicht hatte. Indessen ist diese Geschichte nicht im 4., sondern erst im 7. und 8. Jahrhundert geschrieben; sie ist in die Form einer Rede gekleidet, und mag hier theils in wörtlicher Uebersetzung, theils im Auszug folgen:

Höre, o Imperator! denn ich selbst bin bei allen diesen Dingen zugegen gewesen, welche ich zu erzählen im Begriff bin. Constantius, der nachherige Kaiser, machte, als er noch tribunus militaris war (und auch ich befand mich unter seinem Commando), einen Feldzug gegen die Sarmaten. Nachdem wir sie besiegt hatten, kehrten wir aus dem Kriege zurück, munter und mit Beute beladen. Auf dem Marsche trafen wir ein Gasthaus,

  1. Sprenger in Philol. Rundschau I, 214 ff.
  2. Rh. Köhler im Liter. Centralbl. 1884, Nr. 1; Coen, Di una leggenda S. 57.
  3. Coen, Di una leggenda S. 58 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_014.jpg&oldid=- (Version vom 17.3.2023)