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sich rüsten, wieder von Rom wegzuziehen und Helena mit ihnen, hält der Hausherr die letztere zurück als schuldig oder wenigstens verdächtig eines Diebstahles, der zu seinem Schaden geschehen sein solle; die Gefährten reisen ab, Helena bleibt klagend zurück. Der Kaiser begibt sich nach dem Hause und thut dem Mädchen Gewalt an; nachher gerührt von ihren Klagen und weil er erfährt, dass sie eine Christin sei, schenkt er, obgleich selbst ein Heide, ihr ein kostbares Schmuckstück, wie solches der Kaiser damals auf der Schulter zu tragen pflegte, und einen Ring von grossem Werthe.

Bald nachher merkte Helena, dass sie schwanger geworden; sie schämte sich, in ihre Heimath zurückzukehren und blieb in Rom bei guten Leuten, welche Christum heimlich verehrten, führte ein sehr ehrbares Leben und erhielt sich mit ihrer Hände Arbeit; die Gegenstände, welche der Kaiser ihr gegeben hatte, hob sie im Geheimen sorgfältig auf. Als die Zeit erfüllt war, gebar sie einen Sohn und nannte ihn Constantinus; ihren Wirthsleuten sagte sie, der Knabe wäre der Sohn eines Mannes, mit dem sie in ihrer Heimath verheirathet gewesen, der aber gestorben sei. Der Knabe, welcher sehr schön war, wurde von seiner Mutter sorgfältig erzogen und wuchs heran, begabt mit schönen physischen und moralischen Eigenschaften.

Zu jener Zeit war aber Krieg zwischen dem Römischen Kaiser Constantius und dem „imperator Constantinopolitanus seu Graecorum“. Es lebten aber in jener Zeit zu Rom zwei sehr reiche Kaufleute, in welche der imperator Graecorum solches Vertrauen setzte, dass er ihnen allein freien Handel in Griechenland verstattete. Diese sahen eines Tages den Constantin, welcher damals etwa zehn Jahre alt war, bewunderten seine Schönheit und seine vornehme Haltung und fragten ihn nach dem Namen seiner Eltern; er antwortete, seinen Vater habe er nicht gekannt, seine Mutter sei eine arme Frau in Rom. Die Kaufleute machten sich folgenden Plan: den Knaben zu sich zu nehmen, ihn zu erziehen und dann zum Griechischen Kaiser zu gehen und ihm denselben als den Sohn des Römischen Kaisers vorzustellen und zu sagen, dass der Letztere sie beauftragt habe, für ihn die Tochter des Griechischen Kaisers zur Gattin zu erbitten; der Griechische Kaiser werde keinen Verdacht schöpfen und seine Zustimmung ertheilen, er werde ihnen als den vermeintlichen Gesandten

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_007.jpg&oldid=- (Version vom 17.3.2023)