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dritte sie nackt den wilden Thieren im Gebirge zur Speise vorsetzt[1].

Nicht minder ist das Leben von Constantin’s Mutter Helena mit sagenhaften Zügen ausgestattet. Wie wunderbare Sagen knüpfen sich nicht allein an ihr angebliches Judenthum! Wie sehr ihr Weg nach dem heiligen Lande, in unzähligen Itinerarien berührt, der ausschmückenden und bereichernden Sage willkommen war, ist erst unlängst in helles Licht gesetzt worden[2]. Ihr schrieb man die Erbauung der heiligen Grabeskirche zu, die in Wahrheit Constantin selber ausführte, ihr die Auffindung des Kreuzes Christi, dessen nach und nach aufgetauchte Stücke die Holzmasse zu einem Kriegsschiffe geben könnten, ihr die Entdeckung der Wunder wirkenden Kreuzesnägel[3]; reich an übernatürlichen Ereignissen ist schliesslich die Geschichte ihres Leichnams, worin sich die Heiligenleben ausführlich ergehen. Alles dies verschafft uns ein anschauliches Bild ebenso von der Vielgestaltigkeit dieser Sagen, als allerdings auch von der Unzuverlässigkeit der christlichen Berichterstatter, welche dieselben nur zu oft für geschichtliche Wahrheit hielten. Gaben doch die mannigfachen, im einzelnen sich widersprechenden Nachrichten über die Kreuzfindung bereits dem Patriarchen Eutychius von Alexandria volles Recht, diejenigen, in deren Hände Schriften über die Auffindung des Kreuzes kommen würden, an das Paulinische Wort zu erinnern: „Prüfet alles und das Gute behaltet“[4].

Was ferner die Heimath der Helena und den Geburtsort ihres Sohnes betrifft, so streiten sich darüber bekanntlich fast so viele Städte wie über die Heimath des Homer[5]. Auch ist zur Lösung dieser Frage unendlich viel Scharfsinn und Fleiss aufgewendet worden: hat doch 1716 Johannes Voigt darüber eine lange Lateinische Abhandlung in Druck gegeben, und behandeln doch die Schriften über Heiligenleben diesen Punkt mit ausführlicher Breite.

  1. Manso, Leben Constantin’s des Grossen S. 67 f.
  2. Grundt, Kaiserin Helena’s Pilgerfahrt nach dem heiligen Lande. Dresden, Kreuzschulprogramm 1878.
  3. Hermann Fulda, Das Kreuz u. die Kreuzigung. Breslau 1878. S. 242 ff.
  4. Grundt a. a. O. S. XI.
  5. Vgl. die dritte Beilage in Manso’s Leben Constantin’s des Grossen und Burckhardt, Die Zeit Constantin’s des Grossen, 2. Aufl., S. 310.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_003.jpg&oldid=- (Version vom 17.3.2023)