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getragen dargestellt. In ihrem Zusammenschliessen verkörpert sich ihm der kühne Gedanke einer Reform der Reichsverfassung. Die Schwerkraft des Reiches wird von dem Haupte auf die Föderation der vornehmsten Glieder übertragen. Diese geben, um die Aufgabe würdig zu erfüllen, dem neugegründeten Reichsregimente zugleich eine feste, auf die Dauer berechnete Organisation. So bildet der Tag von Bingen einen Markstein in der Entwicklung der Reichsgeschichte. Diese Auffassung ist im Grossen und Ganzen herrschend geblieben.

Lindner tritt ihr entschieden entgegen. Seine Würdigung des Kurvereins beruht auf dem richtigen Gedanken, dass er weniger aus einer grossen Idee, als aus dem Zusammentreffen verschiedener Interessen entstanden sei. Aber sein Bestreben, B für das Jahr 1427 annehmbar erscheinen zu lassen, zwingt ihn, in dieser Fassung einen ganz harmlosen, vom Könige stillschweigend anerkannten Vertrag zu sehen. Demgemäss erscheint ihm auch in A die Gegnerschaft gegen den König als etwas mehr Nebensächliches. Die Kurfürsten bezweckten in erster Linie eine energische Bekämpfung der Böhmischen Ketzerei und wollten sich gleichzeitig den ihnen zukommenden Antheil an den wichtigsten Reichsgeschäften, die durch Sigmund’s Abwesenheit litten, sichern. Das Zurückgreifen auf die Bopparder Vorlage sei eigentlich nur zufällig und für die Tendenz des Bundes fast bedeutungslos.

Dass es vielfach überschätzt worden ist, kann man zugeben, aber eine bewusste Feindseligkeit gegen den König liegt gleichwohl darin, wenn auch das einfache Herübernehmen der Artikel, ohne sie den veränderten Verhältnissen anzupassen, zeigt, dass die Verbündeten sich über das, was sie im einzelnen wollten, nicht recht klar waren. Der Reichskrieg gegen Böhmen war aber gewiss nicht der Hauptzweck der Einung, da sie eine energische Thätigkeit in dieser Richtung gar nicht versucht hat, sondern sich auf unfruchtbare Opposition und die Sorge für die Einzelinteressen beschränkte. Das war der Kern, die schönen Phrasen von Reich und Reichskrieg waren nur die schimmernde Hülle.

Wie verschieden auch der Grad der Abneigung bei den einzelnen Gliedern sein mochte, ein sehr unbequemer und lästiger Herr war Sigmund für sie alle. Hatte er doch deutlich genug seine Absicht kund gethan, die Krone aus ihrer Erniedrigung zu erheben, entfremdetes

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_223.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)