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Sodann wird zu den Artikeln, welche die Ziele des Bundes bezeichnen, eine Anzahl von Ausführungsbestimmungen hinzugefügt. Damit die Einung um so festeren Bestand habe, wird Vorsorge getroffen, wie Streitigkeiten unter den einzelnen Bundesgliedern auszugleichen seien[1]. Bei Schädigungen von anderer Seite begnügt man sich nicht mehr mit der Bestimmung unbedingter Hilfeleistung, wenn nur das Recht geboten ist, sondern es wird festgesetzt, wie dem Rechte nachgegangen und wie es erkannt werden soll[2]. Für beide Fälle wird ein Schiedsrichter, ein „Gemeiner“ eingesetzt, der die inneren Streitigkeiten selbständig entscheidet und in den Zwisten mit Nichtmitgliedern die Rechtstage ansagt. Dieses Amt soll jährlich wechseln. In den Fragen, welche die Kurfürsten des Reichs wegen betreffen, und bei einem Schisma der Kirche liegt es dem Erzbischof von Mainz ob, die Bundesmitglieder zu gemeinsamer Tagung zusammenzuberufen[3]. Die Entscheidung wird in allen diesen politischen Angelegenheiten wie auf den Rechtstagen nach Stimmenmehrheit gefällt und ist für alle bindend[4]. Diese Einführung des Majoritätsprincipes ist in dem kurfürstlichen Bündnisswesen völlig neu.

Wie man sieht, ist die Verschiedenheit beider Urkunden nicht gering.

Lindner widerlegt nun in seiner Beweisführung zuerst die bisherigen Erklärungsversuche.

Die Ansicht, dass es sich um zwei neben einander in Gültigkeit bestehende Verträge handle, von denen der eine, A, geheim gehalten werden sollte, während der andere, B, die Oeffentlichkeit nicht zu scheuen brauchte, im Nothfall sogar dem Könige vorgewiesen werden konnte, ist bereits von Wendt[5] angezweifelt worden, da es nicht verständlich sei, wie die organisatorischen Bestimmungen, die doch für die Oeffentlichkeit kein Interesse besassen, in B hineingekommen sein sollten. Lindner hält den feinen Unterschied zwischen heimlicher und öffentlicher Urkunde überhaupt nur für einen Verlegenheitsbehelf. Dass die Kurfürsten, um den König über den wahren Inhalt ihrer Einigung zu täuschen, die zweite Fassung entworfen hätten, sei nicht wahrscheinlich,

  1. a. a. O. Nr. 295, Art. 2.
  2. a. a. O. Art. 4.
  3. a. a. O. Art. 6 u. 5.
  4. a. a. O. Art. 4 u. 6.
  5. Wendt, Der Deutsche Reichstag unter K. Sigmund. S. 126.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_209.jpg&oldid=- (Version vom 7.3.2023)