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Die Urkunde vom 22. Mai 1265 gehört nämlich zu einer grösseren, nur theilweise erhaltenen Gruppe von Urkunden, die sämmtlich die Erledigung der Namürer Streitigkeiten betreffen. Am 20. Juli 1253 hatte Johann I. von Avesnes, ältester Sohn der Margaretha von Flandern, die Grafschaft Namür dem Grafen Heinrich VI. übertragen, der wegen seiner Mutter Ermesinde Ansprüche auf dieselbe hatte. In der Christnacht des Jahres 1256 hatte dann Heinrich V. Namür erobert. Es kam nun zu einem längeren Kriege mit Guy von Dampierre, einem Sohn aus zweiter Ehe der Margaretha von Flandern, dem die Kaiserin Maria von Courtenay, als rechtmässige Erbin des Landes, ihre Rechte verkauft hatte. Durch Vermittelung Johann’s II. von Avesnes, eines Enkels der Margaretha, kam es im Mai des Jahres 1264 zum Frieden.

Die meisten der auf diesen Frieden bezüglichen Urkunden[1] sind im Original erhalten, theils zu Lille, theils zu Paris. Von besonderer Wichtigkeit für uns sind zwei derselben, beide vom Monat Mai 1264.

Die erste ist der eigentliche Friedensvertrag[2]. Heinrich V. verzichtet in demselben auf Namür; zugleich wird eine Doppelheirath verabredet zwischen dem Grafen Guy von Flandern und Heinrich’s Tochter Isabella, einerseits, und anderseits zwischen einem der jüngeren Söhne Guy’s (l’ainsnei fil le devantdit conte de Flandres, après Robert, ki clers ne sera), und der zweiten Tochter Heinrich’s „dedans demi-an après ce qu’il averont aage de marier“. Heinrich V. verspricht zudem, diesen Vertrag durch seinen ältesten Sohn bestätigen zu lassen, und zwar thut er das in Worten, die für uns von der höchsten Wichtigkeit sind. „Et est à savoir ke j’ai promis et promet ke je ferai et procuerrai [sic] ke mes ainsneis fius dedans demi-an après ce k’il sera aagiés, prometera et aura en convent par foi et par serement sollempnel à gréer et à tenir fermement de tant com à lui apertenra et puet apertenir, en boene foi, toutes ces convenances et ke jamais ne venra encontre ne par lui ne par autrui et qu’il donra de ce ses letres pendans.“

Es geht also daraus hervor, dass Heinrich’s VII. Vater im Mai des Jahres 1264 noch nicht grossjährig, das heisst noch nicht 16 Jahre alt war. Er kann also damals nicht wohl schon verheirathet gewesen sein, und andererseits ist es rein unmöglich, dass ihm bereits im Jahre 1262 ein Sohn geboren worden, der spätere Kaiser Heinrich VII.

  1. Wurth-Paquet, Table chronologique de Henri V. (Publ. soc. hist. Luxbg.), Nr. 260–270 (ad a. 1264 Mai) und Nr. 279 (1266 Febr. 5), Nr. 287–289 (1265 Mai 29), Nr. 290 (1265 Juni 7).
  2. Wurth-Paquet, l. c., Nr. 261. Original zu Lille, B 100, Nr. 1371.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_148.jpg&oldid=- (Version vom 27.2.2023)