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den Preussischen König auch zeitweilig beschleichen mochten, wenn er an das kommende Jahr mit seinen anscheinend unvermeidlichen Kriegswirren dachte, so überwand er doch diese pessimistischen Anwandlungen in Folge der ihm innewohnenden geistigen Elasticität und nahm zu dem von ihm schon früher angewandten letzten Auskunftsmittel seine Zuflucht, indem er seinen Neffen auf directem wie indirectem Wege zur Nachgiebigkeit gegen die Forderungen der Russischen Kaiserin zu bestimmen suchte.

Den erwünschten Vorwand bot ihm ein von Dönhoff bei dessen Rückkehr (29. November) überbrachtes Schreiben des Schwedischen Königs, in welchem dieser hoch und heilig versicherte, dass ihm nichts mehr am Herzen läge, als mit seinen Nachbarn „einen festen, dauerhaften Frieden zu bewahren“, und dass seine Massnahmen stets von seiner „natürlichen Neigung zur Ruhe“ dictirt worden seien[1]. Da Friedrich der Grosse zunächst abwarten wollte, ob Gustav nicht etwa durch spätere Schritte seine „feierlichen Versprechungen“ Lügen strafen würde, zögerte er einige Tage mit der Beantwortung jenes Briefes[2]. Nachdem er jedoch die sichere Ueberzeugung gewonnen, dass die am Norwegischen Horizont hochaufgethürmten Wolken sich „effectiv“ zu zerstreuen begannen, glaubte er sein Stillschweigen wenigstens theilweise brechen zu dürfen und übersandte seinem Neffen ein Handschreiben, in welchem er seinen „Befürchtungen bezüglich der Zukunft“ in etwas mystischen Worten Ausdruck verlieh[3]. Aber er sorgte dafür, dass man trotzdem in Stockholm über die am Berliner Hofe herrschenden Ansichten nicht im Unklaren blieb. Denn was er selbst verschwieg, das musste in seinem Auftrage Prinz Heinrich rückhaltslos offenbaren.

  1. Gustav an Friedrich, Anfang November. Hjelt [Beilagen] S. 5 f.
  2. Diesen Grund nennt Friedrich in seinem Schreiben an Finckenstein, 6. December.
  3. Friedrich an Gustav, 8. December ([Manderström] I, 44 f. u. Oeuvres XXVII, 2; S. 80), wo es u. a. heisst: „Tout le monde n’envisage pas du même oeil la révolution qui s’est faite dans le Gouvernement de Suède. Cela peut causer des guerres – – –. Il y a des moments de calme auxquels de forts orages succèdent; la Suède en est menacée, et je ne vois pas comment elle y pourra résister“. – Uebrigens sendet der König am 7. December an Finckenstein ein Schreiben zur Weiterbeförderung an Ulrike. Der Inhalt dieses Schreibens ist uns nicht bekannt, hat sich aber wohl jedenfalls in ähnlicher Richtung bewegt.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_133.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)