Seite:De DZfG 1892 08 067.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

der versteinerten Seethiere in Zusammenhang mit dem Einfluss der Gestirne. Im Deutschen Humanismus des 16. Jahrhunderts bezeugen dann so erlauchte Namen wie Pirkheimer und Melanchthon die fortdauernde Macht der Astrologie[1]. Wir könnten vielleicht richtiger geradezu von einem Wachsthum ihres Ansehens sprechen. „Niemals,“ sagt Sprengel, „war die Astrologie ausgebreiteter, nie wurde sie als eine sehr nützliche Wissenschaft so allgemein gelehrt und erlernt, als im 16. Jahrhundert“[2].

Es ist nicht meine Absicht, diese Studie hier weiter zu verfolgen; nur ein hervorragendes Beispiel astrologischer Geschichtsconstruction soll noch seine Stelle finden, ein Beispiel aus der vornehmsten Gesellschaft des Deutschen Humanismus. Denn zu ihr müssen wir ohne Zweifel den berühmten Abt Johannes Trithemius zählen, den gelehrten Berather des Kaisers Maximilian und des Kurfürsten Joachim von Brandenburg, eine Gestalt, welcher schon zu Lebzeiten der Ruf des Wunderbaren anhaftete; Trithemius, dessen Phantasie sich bis zur Geschichtsfälschung, bis zur freien Erfindung nicht vorhandener Quellen hinreissen liess, konnte sich unmöglich dem Reiz der geheimen Wissenschaften entziehen. So wenig die Betheuerungen seiner Wahrheitsliebe ihn gehindert haben, literarischen Betrug zu üben, so wenig lässt er sich durch seine wiederholte scharfe Verurtheilung der Astrologie[3] davon abhalten, eine Periodisirung der Weltgeschichte auf Grund des Planetensystems zu skizziren und dem Kaiser Maximilian zuzueignen[4] („de septem secundadeis, id est intelligentiis sive spiritibus

  1. Vgl. über Alberti und Lionardo: Springer, Bilder aus der modernen Kunstgesch. I², 275; 284; 287 f.; Histor. Taschenbuch V, 5 (1875), 144; 146. Für Deutschland: K. Hartfelder, Der Aberglaube Phil. Melanchthons, Histor. Taschenbuch VI, 8 (1889), 236 ff.; 264 ff.; F. Roth, Wilibald Pirkheimer (Halle 1887), p. 20.
  2. Sprengel, Versuch einer pragmatischen Gesch. der Arzneikunde III (Halle 1794), 294; vgl. auch z. B. Bourciez, Les moeurs polies et la littérature de cour sous Henri II (Paris 1886), p. 43 ff. Die Annahme Burckhardt’s II³, 288, dass die Astrologie im 16. Jahrhundert das Leben der Italiener nicht mehr so beherrscht zu haben scheine, wie früher, hat für die Länder nördlich der Alpen jedenfalls keine Geltung.
  3. Vgl. J. Silbernagl, Johannes Trithemius (2. Aufl., Regensb. 1885) p. 125 f.; auf die Widersprüche in dieser Polemik weist hin W. Schneegans, Abt J. Tr. (Kreuznach 1882), p. 243 ff.
  4. In der von mir benutzten Nürnberger Ausgabe von 1522 (die Leipziger von 1519, vgl. Silbernagl p. 241, war mir nicht zugänglich) lautet der
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_067.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2023)