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erschienen auch anderwärts gereimte und ungereimte Darstellungen, manchmal geradezu Handbücher der Astrologie, worin ihre Zulässigkeit und Nützlichkeit einem grösseren Publicum auseinandergesetzt wurde; in dem sogenannten Buch Sidrach heisst es, wer diese ursprünglich dem Japhet von einem Engel gelehrte Kunst üben wolle, müsse fest im Glauben an den Schöpfer, von Liebe zu Gott erfüllt, reinen und unbefleckten Herzens sein; sogar das Gebet des Astrologen ist nicht vergessen[1].

Während also der auf der Astrologie ruhende Fluch des christlichen Alterthums sich in sein Gegentheil verwandelte, verkündigten, so schien es vielen, welterschütternde Ereignisse die Macht der Gestirne in einer nicht zu überhörenden Sprache. Freilich sagt Höniger ganz zutreffend: „Mit demselben Rechte wie für die Mitte des 14. Jahrhunderts könnte man an jedem beliebigen Zeitpunkt einen Aufruhr der Natur constatiren“. Aber daran, dass schon vor dem Ausbruch der grauenhaften Epidemie des schwarzen Todes die Gemüther der Menschen unheimlich erregt waren und das Schlimmste erwarteten, hatten nicht ausserordentliche Naturerscheinungen Schuld, sondern die in den Gemüthern jenes Geschlechts vorhandene Wundersucht, welche durch Prophezeiungen aller Art und nicht zuletzt durch astrologische genährt und gesteigert wurde. Seit dem 13. Jahrhundert wirkte der Joachimismus, getragen von den schwärmerischen Minoriten, mit seiner aufregenden Apokalyptik; Arnold von Villanova verkündigte den letzten grossen Antichrist für 1316, das Weltende für 1335[2]. Und nun erschien wieder eine sogenannte

  1. Ueber das Buch Sidrach („filosofo et astrologo che visse 857 dopo la morte di Noe“, heisst es in einer Hs.) vgl. Opuscoli di autori siciliani XII, 138 ff.; Bartoli, Il libro di S. testo inedito del sec. XIV, Bologna 1868. Ferner gegen Ende des 14. Jahrh. John Gower, Confessio amantis, deren 6. und 7. Buch ausführliche Erörterungen über Magie, Alchemie und Astrologie enthalten (Ausgabe London 1857, Bd. III; u. a. p. 109 ff. die Vertheilung der verschiedenen Länder unter beherrschende Planeten). Dagegen behandelt der grösste Dichter dieser Zeit Chaucer, obwohl er selbst eine Abhandlung über das Astrolabium schrieb, in den Canterbury Tales und auch sonst (Legenda Hypermnestre) die Astrologie entschieden mit Ironie. Ueber die Skepsis Wiclif’s, („in speculacione talium theologizant speculativi inaniter“), vgl. Joh. Wyclif Tractatus de benedicta incarnacione (London 1886), p. 140.
  2. Vgl. Döllinger, Weissagungsglaube und Prophetenthum (Histor. Taschenbuch V, 1 (1871) p. 337 f.).
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_054.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2023)