Seite:De DZfG 1892 08 052.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Lehre zu entschiedener Verherrlichung des Christenthums zugespitzt und so einem Römischen Dichter in den Mund gelegt, dem sicherlich nichts weniger anstand, als eine solche Prophetenrolle. Vergil eignete sich ja schon wegen seiner vierten Ekloge vortrefflich dazu, in einem kirchlichen Hymnus und in der göttlichen Komödie seinen Platz zu finden; der Gedanke aber, einem Ovid Erörterungen über die Geburt des Jesuskindes von der Jungfrau, über Dreieinigkeit, Auferstehung des Fleisches und jüngstes Gericht unterzuschieben, ist durchaus barock. Dieses Pseudepigraph, mit dem Titel Liber de vetula[1], welches „zur

  1. „Ovidii Nasonis Pelignensis de Vetula libri III“ (zuerst gedr. Rom um das Jahr 1470; mir lag die Kölner Ausgabe von 1479 vor; vgl. Grässe, Trésor de livres rares V, 80), mit einer „prefatio sive argumentum Leonis protonotarii sacri palacii bizantei sub Vatachio principe“. Es lag nahe, in diesem Protonotar Leo, der das Buch in Konstantinopel auf Befehl des Vatatzes (!) veröffentlicht haben will, den Verfasser zu suchen (vgl. P. Leyser, hist. poetarum et poematum medii aevi, Halle 1721, p. 2089); auch an einen gewissen Pamphilus Maurilianus ist gedacht worden (vgl. Fabricii Bibl. lat. ed. Ernesti I, 465; hiezu Grässe, Lehrbuch III, 1092; Bartsch, Albrecht von Halberstadt p. x f.) sowie an Hermann den Lahmen. Letztere Vermuthung von Bartsch (Albrecht von Halberstadt und Ovid im Mittelalter, Quedlinburg 1861, p. viij) beruht aber auf einem Irrthum, denn nicht in der von ihm angeführten Handschrift zu Montpellier, sondern nur in einer sie betreffenden Anmerkung des Catalogue général des Mss. des bibl. publ. des départements I (Paris 1849), 433 ist gesagt, der neben der Vetula in der Handschrift enthaltene „liber de rythmomachia“ werde von Trithemius dem Hermann zugeschrieben, was aber gleichfalls eine Verwechslung ist. Der Katalog notirt nun allerdings zu der Prefatio der Vetula, sowie zu einem Introitus ad Vetulam jener Handschrift: „XIIe siècle“, doch wird sich diese Bestimmung nicht halten lassen gegenüber den sonst bekannten Handschrr. der Vetula, die nach Cocheris’ Mittheilung nicht über das 13. Jahrh. zurückgehen, und vor allem gegenüber den inneren Merkmalen des Gedichts, die auf das 13. Jahrh. weisen (Kenntniss des Abacus von Fibonacci!). Endlich hat H. Cocheris, der eine Französische Uebersetzung der Vetula aus dem 14. Jahrh. herausgab („La Vieille ou les derniers amours d’Ovide, poëme Français du 14e siècle, traduit du latin de Richard de Fournival par Jean Lefèvre“, Paris 1861), den Kanzler der Kirche zu Amiens Fournival, der auch sonst Ovid nachzuahmen suchte, als Verfasser unseres Pseudepigraphs nachgewiesen. Uebrigens wurde die Autorschaft Ovid’s schon frühzeitig angezweifelt. So sagt Robert von Holkoth († 1349) in seinen Praelectiones in librum Sapientiae regis Salomonis (lect. 61): „An sit liber Ovidii, deus novit“; vgl. Gobelinus Persona, Cosmodromium IV, 10 (Meibomius, Script. I, 132 f.): Peter von Ailli, Tractatus de legibus et sectis cap. 4: „bene consideranti perspicuum est, librum illum non ab
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_052.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2023)