Seite:De DZfG 1892 08 050.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Averroes einen ehrenvollen Platz in der Vorhölle zu, andererseits bestreitet er mit aller Entschiedenheit jede Beeinflussung des freien Willens durch die Gestirne und verstösst Michael Scotus, Bonatti und den Schuster Asdente mit den übrigen Sterndeutern in jene Höllenschaar der Weissager, die mit rückwärts gedrehtem Antlitz stumm und thränenvoll einherschleichen[1]. Ganz anders donnert und spottet freilich Petrarca gegen den Frevel der Averroisten, den Unsinn der Astrologen, von welchem er in seiner eigenen öffentlichen Laufbahn ein recht derbes Beispiel erlebt hatte, als ihn mitten in einer feierlichen Rede der Mailänder Hofastrolog unterbrach[2]. Bei Petrarca erscheint aber überhaupt die Befangenheit des Mittelalters in einem Grad überwunden, wie kaum bei einem seiner Zeitgenossen; vergebens hat er sich bemüht, seine Verachtung der Astrologie wenigstens dem Freund Boccaccio mitzutheilen. In dem Vater des Humanismus verkörperten sich die wiedererstandene verächtliche Abneigung des klassischen Römerthums gegen alles Orientalische und der Widerwille einer neu empfundenen Menschenwürde gegen alles Fatalistische.

Noch war aber der Sieg der humanistischen Weltanschauung im weiten Feld. Noch gehörte die Zeit, und wahrlich mehr als je, der Arabischen Philosophie und Astrologie, die ihrerseits von der zunehmenden Popularisirung der Wissenschaft Vortheil zogen und in immer weitere Kreise drangen. In der höfischen Poesie sind ihre Spuren keineswegs sehr häufig, obwohl Französische und Deutsche Sänger gern mit einer gewissen Ehrfurcht von der sternkundigen Weisheit der Saracenen reden; erschien doch schon nach antiker Ueberlieferung einer ihrer Lieblingshelden,

  1. Die Stelle über Fortuna: Inf. VII, 67 ff.; über den Einfluss der Gestirne: Purg. XVI, 67 ff.; über die himmlischen Intelligenzen: Parad. VIII, 97 ff.; (vgl. auch Convito II, 6; ebd. 14 wird Albumasar citirt); über Averroes und die Astrologen: Inf. IV, 144; XXI, 115 ff. Vgl. Burckhardt II³, 270; K. Witte, Danteforschungen II (1879), 173 ff.; über Dante’s Hoffnung auf eine die von ihm angekündigte grosse Umwandlung befördernde „Wendung der Gestirne“ Döllinger, Akadem. Vorträge I, 100 f.; 115; Weissagungsglaube und Prophetenthum (histor. Taschenbuch V, 1, 1871) p. 315 f.
  2. Vgl. L. Geiger, Petrarca (Leipzig 1874) p. 87 ff.; 267 Anm. 11; Koerting, Gesch. der Literatur Italiens im Zeitalter der Renaissance I (Leipzig 1878), 311; II (1880), 370.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_050.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2023)