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zu unterscheiden. Aehnlich ging es ja mit dem Namen des Averroes, unter welchem man sich gewöhnte, alles zusammenzufassen, was einer naturalistischen Weltanschauung gleichsah, so auch jene in Paris gelehrten und verurtheilten Sätze, welche die Schöpfung wie die Auferstehung, den Anfang und das Ende der Welt leugneten und an die Stelle eines göttlichen Willensactes die Urzeugung unter dem Einfluss der Gestirne setzen wollten[1]. Daneben mochte aber die Scholastik den „grossen Commentator“ ihres vergötterten Meisters Aristoteles nicht völlig preisgeben; eben der heilige Thomas, welchem die spätere Dominicanische Malerei so gern den von ihm niedergeschmetterten Averroes zu Füssen legte[2], durfte über all seiner Polemik gegen den Arabischen Naturalismus nicht vergessen, wie viel er von dem verrufenen Ungläubigen gelernt hatte. Nur durch eine seltsame Verkettung von Umständen konnten freilich Thomistische Sätze in das Verzeichniss der 1277 verdammten Averroistischen Lehren gerathen. So wenig wie den ganzen Averroes vermochte die kirchliche Wissenschaft die ganze Astrologie auszumerzen, wie denn Thomas nicht nur jene antike Theorie von der Bewegung der Sphären durch Gestirngeister, sondern auch die Beeinflussung der irdischen Naturvorgänge durch die Planeten bis zu einem gewissen Grade beibehält; dies sollte sich freilich auf das rein physische Gebiet beziehen, aber es erschien doch nicht möglich, der siderisch bedingten Körperlichkeit der Menschen, deren Geschlechtsunterschied ebenfalls auf die Gestirne zurückgeführt wurde, jede Einwirkung auf Sinnesart und Handlungen abzusprechen, so eifrig auch Thomas wie die übrigen Vertreter streng kirchlicher Philosophie sich bemühten, die Willensfreiheit jedem Zweifel zu entrücken[3].

  1. Vgl. Renan p. 267 ff.; Reuter II, 165 ff.; 349 ff.
  2. Vgl. Renan p. 301 ff.; H. Hettner, Italienische Studien (1879) p 107; 143.
  3. Renan p. 236 ff.; K. Werner, Thomas von Aquino II, 236 ff.; 286 ff.; Wiener Sitz.-Berr. LXXIV (1873), 337 f.; selbst ein so heftiger Bekämpfer des siderischen Determinismus wie Wilhelm von Auvergne will doch den Planeten eine Beeinflussung der Temperamente, allerdings nur im guten Sinn, gewahrt wissen, ebd. 335 f. Ueber die Bevorzugung des Commentators Averroes bei Thomas vgl. auch Ehrle im Archiv für Lit. und Kirchengesch. des MA. V (1889), 607. Vincentius von Beauvais formulirt im Speculum naturale III, 34 seine Ansicht dahin: „Sic ergo secundum
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_040.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2023)