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wie Isidor von Sevilla klagt, die Schönheit und Helligkeit der Gestirne immer noch ihren alten Zauber übte und manche Gemüther zu solch schädlichem Thun verlockte. Eben in seiner Spanischen Heimath hatte bis ins 6. Jahrhundert die astrologisch fundirte Ketzerei der Priscillianisten sich behauptet. Wohl richtete sich der Kampf, welchen die Synoden und die Bussverordnungen der Kirche gegen die „Mathematiker“ führten, offenbar mehr gegen die immer stärker mit Magie versetzte Praxis des Nativitätstellens, als gegen die der Astrologie zu Grunde liegende fatalistische und naturalistische Weltanschauung; als Mathematiker wird in den Bussbüchern Jemand bezeichnet, der durch Anrufung der Dämonen die Seelen der Menschen verstört[1]. Weit gefährlicher war gewiss, wie schon in den Zeiten der Kirchenväter erkannt wurde, jene speculative Seite der Astrologie, weil sie nach dem Urtheil des Origenes nothwendig dahin führte, auch die Geburt, das Leben und Leiden des Erlösers und die ganze christliche Religion als ein Erzeugniss siderischer Kräfte zu betrachten. Hatten doch heidnische Gegner dem jungen Christenglauben das Horoskop gestellt und ihm eine Lebensdauer von nur 365 Jahren ausgerechnet[2]. Solche astrologische Speculation scheint nun wirklich im christlichen Abendland Jahrhunderte lang fast verschollen gewesen zu sein, während im Byzantinischen Reich, vielleicht durch die nähere Berührung mit dem Orient, wenigstens die Weissagung aus den

  1. Vgl. Maury, La magie et l’astrologie dans l’antiquité et au moyen-âge (4. Aufl., Paris 1877) p. 104 Anm. 4; die dort angeführten, zum Theil nicht richtig datirten Synodalbeschlüsse beziehen sich auf blosse Divination („auguria, sortes, incantatores“), während die astrologische Speculation begreiflicherweise von verschiedenen Spanischen Synoden (Toledo 446, Braga 563, Hefele, Gesch. der Concilien II, 289 f., III, 14) bekämpft wird. Ferner Wasserschleben, Die Bussordnungen der abendländischen Kirche (Halle 1851); Schmitz, Die Bussbücher und die Bussdisciplin der Kirche (Mainz 1883); die Behauptung p. 234, die mathematici würden niemals auf Fränkischen Synoden erwähnt, ist durchaus nicht richtig. Ratherius von Verona stellt (Praeloquiorum lib. I, 4, Patrol. lat. CXXXVI, 152) die mathematici als Schlangenbeschwörer neben die Psylli und Marsi. Dagegen zeigt Liudprand von Cremona einmal (Antapodosis I, 11) eine scherzhafte, der spätlateinischen Komödie Querolus entnommene Verwendung astrologischer Kunstausdrücke, die er aber einem Byzantiner in den Mund legt.
  2. Vgl. Origenes im Genesiscommentar (s. o.); Augustin, De civ. dei XVIII, 54.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_035.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2023)