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Landwirthschaft zu erhalten[1]. Billigend erwähnt er ein Gesetz, das vor Zeiten in den meisten (wir dürfen heute annehmen, in allen) Griechischen Staaten bestanden hatte, wonach es Niemandem freistand, sein väterliches Erbgut zu veräussern. Ebenso rühmt er ein anderes, auf Oxylos zurückgeführtes altes Gesetz, welches bestimmte, dass ein Jeder auf einen gewissen Theil des ihm gehörigen Grundbesitzes kein Darlehen aufnehmen durfte.

So günstig wie über die Bauern, so ungünstig urtheilt Aristoteles über die niedere städtische Bevölkerung. Nach seiner Theorie müssten Alle, die ohne jedes Vermögen bloss von ihrer Hände Arbeit leben, Sklaven sein[2]. Er erklärt es für unmöglich, dass ein Handwerker oder Tagelöhner einen moralisch guten Lebenswandel führe[3]. Daher findet er in Staaten, in welchen die politischen Rechte dem Verdienste entsprechen, Handwerker und Tagelöhner von der Bürgerschaft ausgeschlossen. In Oligarchien, wo das Ansehen sich nach dem Vermögen richtet, können Handwerker zu Ehrenstellen gelangen, Tagelöhner aber nicht; denn der Handwerker kann im Laufe der Zeit Reichthum erwerben, während der Tagelohn nur für den nothdürftigen Unterhalt ausreicht. In Demokratien dagegen sind Tagelöhner wie Handwerker zum Bürgerrechte qualificirt. Aber nur da wird dies Recht wirksam, wo Gerichts- und Versammlungssold denjenigen, der davon Gebrauch macht, für den Verlust an Arbeitsverdienst entschädigt. In diesem Falle hält Aristoteles es für unmöglich, eine Demokratie in gesetzlichen Bahnen zu erhalten[4]. Denn da die Nichtbesitzenden durch die Ausübung ihres Bürgerrechtes ebenso viel Verdienst und weniger Mühe haben, als wenn sie ihrer Arbeit nachgehen, während die Reichen zuweilen durch Privatgeschäfte an öffentlicher Thätigkeit gehindert werden, so haben die Nichtbesitzenden in den Volksversammlungen und den Volksgerichten das Uebergewicht und streben danach, die Competenzen dieser Körperschaften in allen Richtungen auszudehnen, unbekümmert um die gesetzlichen Schranken.

Die principielle Antipathie des Philosophen gegen Handwerker und Tagelöhner beruhte auf Anschauungen, die heute Niemand mehr theilen wird. Die Theorie aber, dass die niedere

  1. VI, 1319 a.
  2. III, 1277 b 1 ff.; vgl. 1278 a 7.
  3. a. a. O. 1278 a 20.
  4. IV, 1293 a 5.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_022.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2023)