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Fragen; es soll nicht Politik getrieben, sondern nur das Verhältniss des Unterrichts zu den Anforderungen des öffentlichen Lebens festgestellt, die unberechtigte Einmischung politischer Tendenzen zurückgewiesen werden.

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Die Aufgabe der Versammlung dürfte auch nicht etwa sein, Lehrpläne aufzustellen oder überhaupt als eine Fachversammlung von Geschichtslehrern für den Schulunterricht zu fungiren. Sie wird in erster Linie vielmehr die Forderungen zu formuliren haben, die die Geschichtswissenschaft an den Unterricht zu stellen hat. Dazu sollen und können mit den Schulmännern die Universitätslehrer und auch die jeder Lehrthätigkeit fernstehenden Forscher zusammenwirken. Die Anpassung an diese Forderungen im Einzelnen bleibe den praktischen Schulmännern allein überlassen. Mögen die Männer der Wissenschaft incompetent sein, den Unterricht im Einzelnen zu regeln, so sind sie doch gewiss competent, Kriterien aufzustellen, an denen jede Lehrweise muss gemessen werden können. So stellt der Arzt gewisse hygienische Forderungen an das Schulgebäude, ohne Architekt zu sein, und doch hat der Architekt sie als Normen zu achten. Nicht ausgeschlossen ist ja, dass auch für das Technische schon allgemeine Grundsätze ausgesprochen und unvorgreifliche Rathschläge ertheilt werden. Immerhin wird das Nebensache und die möglichst deutliche principielle Stellungnahme die Hauptsache sein.

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Für lebendige und moderne Geschichte, gegen todtes antiquarisches und chronologisches Gedächtnisswesen, zugleich aber für unbefangene, herzhaft unbefangene Geschichte gegen alle tendenziöse Ausbeutung, für objective Auffassung im Sinne aller grossen Historiker, gegen die subjectiven Anforderungen des kaiserl. Erlasses: das würde etwa unsere Devise sein. Ob auch die der Versammlung? Es sind diess wohlgemerkt alles nur unsere eigenen Anschauungen, die auf die Berufung der Versammlung durchaus keinen Einfluss geübt haben, und die, wie wir uns nicht verhehlen, von vielen Unterzeichnern des Aufrufs nicht getheilt werden dürften. – Einerlei aber, wie man darüber auch denkt und welches Ergebniss man den Verhandlungen auch wünscht, diese Dinge verlangen eine öffentliche Discussion und die Betheiligung an dem einmal geplanten Unternehmen ist geboten; denn jeder Einzelne ist schliesslich mitverantwortlich.

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Diese ein wenig kampflustig angehauchten Gedanken, in denen absichtlich das Actuelle der schwebenden Fragen einseitig hervorgehoben ist, werden gewiss nicht den Charakter der Versammlung im Ganzen bestimmen. Schon die Unterrichtsfragen werden ja nicht allein von diesem einen Gegensatz beherrscht, und ausserdem sind noch genug andere gemeinsame Angelegenheiten vorhanden, welche zu friedlicher Erörterung einladen. Hoffentlich wird auch sogleich jenes andere Interesse zu seinem Recht kommen, das, wie wir oben bemerkten, bei den gleichsam senil gewordenen Wanderversammlungen schliesslich fast alleinherrschend wird: die persönliche Berührung zwischen den Vertretern des Faches. Wiederholen sich solche Zusammenkünfte nicht zu häufig, so bleibt auch dieser Gesichtspunkt in seinem vollen Recht; und hier gilt er gewiss ungeschmälert, da es sich um die erste Veranstaltung dieser Art handelt. Wünschen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 457. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_458.jpg&oldid=- (Version vom 17.6.2023)