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ist, so haben dieselben trotzdem keine Darstellung bisher gefunden, welche einen deutlichen Einblick in die Beweggründe des Ungarischen Königs, sowie in den Gang und den inneren Zusammenhang der Verhandlungen darböte. Bei Karamsin[1] bleiben diese Fragen mehr oder weniger dunkel. Strahl[2] und Solovjev[3] berühren die Beziehungen der beiden Herrscher überhaupt nur ganz flüchtig. Auch Caro[4] kommt nicht viel über Karamsin hinaus. Fraknói schliesslich, der neueste Bearbeiter der Geschichte des Königs Matthias[5], schweigt völlig über die ganze Angelegenheit mit Moskau. Daher mag es gestattet sein, auf Grund der in der Russischen Publication der „Denkmäler der diplomatischen Beziehungen des alten Russlands mit den fremden Mächten“[6] veröffentlichten Protokolle und Aufzeichnungen des Russischen auswärtigen Amtes, sowie mit Berücksichtigung der übrigen bekannten Quellen und Thatsachen an dieser Stelle eine Darstellung jener Verhandlungen zu geben.

Nach einem fast zehnjährigen Kampfe, den Matthias von Ungarn mit dem ältesten Sohn des Königs von Polen, Wladyslaw, um den Besitz der Böhmischen Krone geführt hatte, war zwischen ihnen im September des Jahres 1478 durch den Ofener Frieden und auf der Zusammenkunft in Olmütz im Juli des folgenden Jahres endlich eine Einung dahin zu Stande gekommen, dass Wladyslaw Böhmen behalten, die Nebenlande, Mähren, Schlesien und Lausitz, aber an Matthias von Ungarn fallen sollten. Mit dem Frieden waren die beiden Herrscher zugleich in ein Freundschafts- und Allianzverhältniss zu einander getreten.

Die Verzichtleistung auf Böhmen war Matthias vornehmlich aus dem Grunde eingegangen, um mit dem Kaiser Friedrich III., der während des Böhmischen Krieges auf Wladyslaw’s Seite gestanden hatte, Abrechnung zu halten und sich für diesen Kampf Rücken und Flanke gegen eine Diversion von Polen oder Böhmen her zu sichern. Denn nicht allein, dass er Wladyslaw an seine Politik zu ketten bemüht war, auch den König von Polen suchte er dadurch zu einer neutralen Haltung zu bewegen, dass er dem Deutschen Orden in Preussen seine Hülfe entzog.

  1. Geschichte des Russischen Reichs, Deutsche Ausgabe VI, 136 u. 137.
  2. Geschichte Russlands II, 365.
  3. Geschichte Russlands. Moskau. 5. Ausg. 1882. V, 143 (russ.).
  4. Geschichte Polens V, 2, 529.
  5. Fraknói, Matthias Corvinus König von Ungarn 1458–1490. (Deutsche Uebersetzung) 1891.
  6. Памятники дипломатическихъ сношенiй древней Россiи съ державами иностранными. Petersburg 1851. Bd. I, 159–173.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_407.jpg&oldid=- (Version vom 16.2.2023)