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Gefahr ernster wird, muss auch das fünfte Gebot vor der Sicherheit des Reiches zurücktreten.

So weit er vermochte, hat Constantin die Reichseinheit immer gewahrt, aber die Alleinherrschaft hatte er nie erstrebt, sondern sie war ihm aufgedrungen. Dem Verfassungsgedanken Diocletians, den er als Knabe sich zu eigen gemacht hatte, ist er auch als Greis treu geblieben. Noch kurz vor seinem Tode hat er das Reich unter seine Söhne und Neffen fast ganz in derselben Weise vertheilt, wie es einst von Diocletian und seinen Genossen verwaltet worden war. Aber sich selbst einen gleichberechtigten Mitregenten zuzugesellen, wagte er nach den traurigen Erfahrungen seiner Jugendjahre denn doch nicht mehr. Die Allgegenwart des Kaiserthums, welche der Grundgedanke des Diocletianischen Systems gewesen war, suchte er dadurch zu[WS 1] erreichen, dass er seine Söhne als Cäsaren in die verschiedensten Provinzen entsandte und dort den kaum erwachsenen Jünglingen nicht selten Aufgaben von hoher militärischer Wichtigkeit anvertraute; aber die Stellung des Augustus und damit die Oberaufsicht über das ganze Reich bewahrte er für sich allein. Zwar der Sultanismus, dessen man ihn beschuldigt hat, lag seiner Natur gänzlich fern; seine jüngeren Brüder, gegen welche er sich doch in erster Linie hätte äussern müssen, hat Constantin in ehrenvollen Stellungen an seinen Hof gezogen und in der Staatsverwaltung vielfach beschäftigt, ja sogar ihre Söhne den seinen als Mitregenten zugesellt. Wenn er sie nicht als Augusti sich selbst zur Seite stellte, so geschah dies, weil er sich die Kraft zutraute, den Frieden des Reiches allein aufrecht zu erhalten, vielleicht auch weil er sie für zu unbedeutend hielt. Doch zur Erfüllung jener schweren Pflicht schien ihm nur seine eigene machtvolle Persönlichkeit befähigt; das Princip der dynastischen Erbfolge durfte er nicht antasten, und für das schwächere Geschlecht, welches ihm dann nachfolgen sollte, stellte er die Diocletianische Vielherrschaft wieder her. Hatte diese Regierungsform auch ihn selbst aus einem Bürgerkriege in den andern gestürzt, so hoffte er doch, dass die enge Blutsverwandtschaft, welche seine Nachfolger verband, zwischen ihnen die Einigkeit besser erhalten werde. Er sollte sich auch diesmal täuschen; die höchste, allumfassende Gewalt ist eben ihrem Wesen nach nicht theilbar, selbst unter Brüdern nicht. Aus der Vielherrschaft erstand unter furchtbaren Kämpfen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zn
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_360.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2023)