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der ja auch von einer Sklavin geboren war, wieder zum Sklaven und konnte sich doch zugleich vor der Welt und seinem Gewissen darauf berufen, dass er nur den Folgen anstössiger Verbindungen, welche auch seine Religion verdammte, entgegengetreten sei und das alte Römische Recht wieder zur Geltung gebracht habe. Um die gemeine Geburt des Prätendenten der Menge recht grell vor die Augen zu rücken, sollte der unglückliche Jüngling, wie es einem entlaufenen Knechte zukam, in Fesseln gelegt und ausgepeitscht werden. Er entfloh, wurde aber eingefangen und zur Fabrikarbeit in einer kaiserlichen Manufactur verurtheilt[1]. Das Mitleid mit dem Schicksal des Kaisersohnes hat vielleicht im Volk eine Gährung hervorgerufen, welche Constantin bedenklich erschien. Da er sich eben zum Perserkriege rüstete und erwarten musste, die Grenzen des Reiches zu überschreiten und vielleicht gar längere Zeit von ihnen abgeschnitten zu sein, hielt er es für gerathen, den elenden Sklaven abthun zu lassen[2].

Wir haben bei dieser Episode verweilt, weil sie uns für Constantin ganz besonders charakteristisch erscheint. Die Gewissenhaftigkeit des Christen und Regenten tritt darin ebenso deutlich zu Tage, wie die kühle Grausamkeit des Landsknechts. Der Kaiser schont seinen Feind, so lange er in ihm keine Gefahr für den Staat erblickt. Als der Eindruck einer trüben Erfahrung ihn plötzlich mit Besorgniss erfüllt, nicht für sich, sondern für seine Provinzen, da will er noch immer das formelle Recht wahren und das Gebot: „Du sollst nicht tödten“ aufrecht erhalten. Er schreitet ein, nicht durch einen Gewaltakt oder eine Ausnahmebestimmung, sondern durch ein allgemeines Gesetz, das ihm auch abgesehen von seinem besonderen Zwecke recht und billig erscheint, und tastet das Leben des Prätendenten nicht an. Doch dass er diesem ein Schicksal bereitet, tausendmal schlimmer als der Tod, lässt ihn völlig kalt. Als dann aber die

  1. Cod. Theod. IV, 6, 2; 3. Vgl. Zeitschr. f. wissenschaftl. Theologie XXXIII, S. 73.
  2. Eutrop. X, 6, 3. Die Notiz bei Hier. chron. 2341 hat gar keinen Quellenwerth, da sie aus Eutrop abgeschrieben und nach Gutdünken einem beliebigen Jahre beigesetzt ist. Ihre Datirung muss schon deshalb falsch sein, weil der jüngere Licinius (geb. 312) im J. 325 noch nicht iuvenis war, wie ihn Eutrop nennt.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 358. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_359.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2023)