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und 15 000 Pferden[1]. Einstweilen war er allerdings mit seinen Rüstungen noch zurück. Denn da nach ihrem Vertrage, welcher jedem Herrscher die volle Freiheit des Handelns innerhalb seines Reichstheiles wahrte, Constantin die Christenverfolgung nicht zum Kriegsgrunde machen konnte, war Licinius noch auf keinen Angriff gefasst. Doch hatte er schon 323 begonnen, die Besatzungen von den Grenzen abzurufen und in den Asiatischen Provinzen, wo der Aufmarsch durch die Meerengen gedeckt war, um seine Person zu versammeln.

Da benutzten die Gothen an der unteren Donau die Verminderung der Grenzwachen und fielen in die Thrakische Diöcese ein. Licinius war zu fern, um ihren Plünderungen Einhalt zu gebieten, und Constantin, der in nächster Nähe zu Thessalonica verweilte, durfte in das Gebiet seines Mitregenten nach dem Vertrage von 314 nicht übergreifen. Aber die Aufrechterhaltung desselben war ihm jetzt gleichgültig, da er den Krieg ja doch kommen sah; und Römisches Gebiet vor den Barbaren zu schützen war eine Kaiserpflicht, welche private Verabredungen der Herrscher nicht aufheben konnten. So rückte denn im Sommer 323 Constantin in Thrakien ein, schlug die Gothen über die Donau zurück und zwang sie zur Auslieferung der weggeschleppten Gefangenen[2]. Aber nach dem Siege kehrte er alsbald in seinen Reichstheil zurück; keine Stadt von dem Gebiete seines Gegners, nicht einmal das wichtige Byzanz, von wo aus er den Feldzug gegen die Barbaren eingeleitet hatte[3], behielt er in seiner Hand. Den Vertrag hatte er zwar formell gebrochen, aber nur in Erfüllung einer Aufgabe, deren Dringlichkeit kein Unparteiischer leugnete. Dem Reichstheil des Licinius den Frieden wiederzugeben, war ein Recht, das ihm keine Verträge rauben konnten; doch wenn er zugleich für den sicher bevorstehenden Bürgerkrieg günstige Positionen erobert hätte, so wäre dies allerdings ein Eidbruch gewesen, vor welchem der fromme Christ zurückschreckte.

Aber Licinius sah in dem Geschehenen nur den Eingriff in seine Rechte und forderte drohend Genugthuung. Mehrere Gesandtschaften gingen hin und her, doch der Streit der Kaiser

  1. Zos. II, 22, 2.
  2. Anon. Vales. 5, 21.
  3. Zeitschr. f. Rechtsgesch. X, S. 230.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 350. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_351.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2023)