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Constantin einen gewissen Bassianus ausersehen, von dem er wusste, dass seine Persönlichkeit dem Licinius genehm sei. Um auch ihn an das Haus des Divus Claudius anzuknüpfen, war die zweite Schwester Constantin’s, Anastasia, bereits mit ihm vermählt worden. So sollte auch in diesem Falle zugleich mit den Grundsätzen Diocletian’s das neue dynastische Princip gewahrt bleiben.

Die Voraussetzungen dieses Planes hatten sich durch den Tod Maximin’s in etwas geändert, doch schien dies seine Ausführung nur zu erleichtern. Konnte man jetzt doch auch im Orient zur Wahl eines geeigneten Cäsars schreiten und brauchte sich nicht den verrückten Tyrannen, bloss weil er legitim war, gefallen zu lassen. Auch Licinius strebte nicht nach der Alleinherrschaft; auch ihm erschien die Mitregentschaft unentbehrlich, was er dadurch bewiesen hat, dass er jedesmal, wenn er mit Constantin im Kriege lag und dessen Absetzung ausgesprochen hatte, einen anderen Augustus an seiner Statt ernannte. Dass sein Mitherrscher sich auf die Treue des Bassianus nicht verlassen konnte, wusste er. Die Vorschläge Constantin’s, welche dessen Macht beträchtlich geschwächt, seine eigene aber bei Auswahl eines passenden Cäsars für den Orient kaum beeinträchtigt hätten, konnten ihm also sehr willkommen sein, wenn ihm nur die Person Constantin’s nicht zuwider gewesen wäre. In den Reichstheilen, die er nicht unmittelbar unter sich hatte, wollte er gefügige Werkzeuge haben, nicht einen Kaiser von eigenem, energischem Willen, der noch dazu gegen ihn die Rechte des älteren Augustus in Anspruch nahm. Er wies die Anträge des Unterhändlers also nicht zurück, suchte aber heimlich durch den Bruder des Bassianus, Senecio, welcher sich in seiner Umgebung befand, auf den künftigen Cäsar einzuwirken. Dieser sollte das Ansehen, welches er durch seine Verschwägerung mit Constantin bei den Truppen des Westens besass, dazu benutzen, um sie völlig für sich zu gewinnen und denjenigen, welcher ihn erhoben hatte, vom Throne zu stossen. Bassianus ging auf den sauberen Plan ein; er versuchte wirklich eine Militärrevolte anzuzetteln, wurde aber noch in den Anfängen seines Unternehmens ertappt und niedergehauen.

Constantin war tief empört über die Treulosigkeit seiner Creatur; dass Senecio der Anstifter war, ergab sich wahrscheinlich

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_339.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2023)