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und sich anschickten, das Reich gemeinsam zu beherrschen, zu verschieden an Sitten, Anschauungen und Temperament, als dass ihre Freundschaft hätte von Dauer sein können[1]. Constantin ein noch junger, hitziger Mann, schnell in seinen Entschlüssen bis zur Uebereilung, ehrlich und vertrauensselig bis zur Unvorsichtigkeit, Licinius ein besonnener Greis von zäh festhaltender Energie und tückischer Hinterhaltigkeit. Während jener in grossmüthigem Leichtsinn mit dem Gelde um sich warf, so dass seine Finanzen nie in Ordnung waren, scharrte dieser gierig Schätze zusammen, scheute dabei weder Erpressungen noch Justizmorde und konnte sich kaum zu den kargen Geschenken an sein Heer entschliessen, welche für seine Sicherheit eben unentbehrlich waren[2]. Aber trotz seines Geizes und trotz der scharfen Disciplin, welche er mit unerbittlicher Strenge aufrecht erhielt[3], hingen seine Soldaten an ihm nicht minder treu, als an seinem freigiebigen Mitregenten; denn auch er war ein Feldherr, mit dem sich damals nur Constantin messen konnte. Aber wenn dieser dem kühnen Angriff alle seine Erfolge verdankte, wusste zwar auch Licinius, wo es noth that, schnell entschlossen drein zu fahren, doch fand er seine eigentliche Stärke in der zähen Vertheidigung. Dass diese auf die Dauer immer die schwächere bleibt und man durch kluge Auswahl fast unangreifbarer Stellungen einen Krieg nicht entscheidet, musste er freilich auch an sich erfahren. Beide Nebenbuhler waren ohne Bildung, aber während Constantin dies als Mangel empfand und in der Protection von Kunst und Wissenschaft eine Herrscherpflicht erkannte, verachtete sein Mitregent mit cynischer Offenheit, was er nicht verstand. Namentlich die Rechtskunde, welche sich seiner Willkür, nicht praktisch, aber doch theoretisch entgegenstellte, war ihm bitter verhasst[4]. Denn eine zügellose Selbstsucht, die sich durch kein Pflichtbewusstsein, kein Gefühl der Dankbarkeit hemmen liess, beherrschte sein ganzes Thun ebenso, wie bei seinem ehemaligen Freunde Galerius. Zwar war er klug genug, den Bauern vor Bedrückung zu schützen und die Landwirthschaft nach Kräften zu heben, gewiss

  1. Vict. Caes. 41, 2.
  2. Lact. de mort. pers. 46; Vict. Caes. 41, 2; epit. 41, 8; Euseb. hist. eccl. X, 8, 12; vita Const. I, 55; III, 1, 7.
  3. Vict. epit. 41, 9.
  4. Vict. epit. 41, 8; Caes. 41, 4.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 335. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_336.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2023)