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sein Heer vom Bosporus weg nach Süden zu führen[1]. Licinius brauchte also im Sommer und Herbst 312 keinen Angriff zu fürchten; als Constantin seinen schweren Kampf ausfocht, hatte er die Hände frei. Trotzdem hatte er zur Unterstützung seines Bundesgenossen und künftigen Schwagers nicht einen Finger gerührt[2], obgleich diesem eine Verstärkung seines kleinen Heeres durch die Donautruppen ohne Zweifel sehr erwünscht gewesen wäre. Vermuthlich beabsichtigte er im Streite seiner beiden Mitkaiser den tertius gaudens zu spielen. Wenn er zum Schlusse über den geschwächten Sieger, wer dies auch sein mochte, mit seiner ganzen Macht herfiel, so konnte er vielleicht die Reichstheile des Maxentius und Constantin beide an sich bringen. Aber falls er solche Pläne gehegt hatte, waren sie gründlich zu Schanden geworden; denn der Sieger war nicht geschwächt, sondern mächtiger als je. Doch lag diesem zur Zeit nichts ferner, als an dem treulosen Verbündeten Rache zu nehmen. Bei Constantin wurde jede andere Rücksicht durch den Wunsch zurückgedrängt, der bedrohten Rheingrenze, welche im vorigen Sommer wider Erwarten nicht durchbrochen war, ihre Sicherheit persönlich wiederzugeben. Zudem hoffite er noch immer in Verbindung mit Licinius, den er als tüchtigen Krieger schätzen musste, das Gesammtregiment, wie es Diocletian geschaffen hatte, einigermassen wiederherzustellen. So wurde denn die Hochzeit begangen und gleichzeitig die Verhandlungen zwischen den beiden Kaisern nach Möglichkeit gefördert.

Constantin’s erste Sorge war, dem Christenthum auch in der östlichen Reichshälfte gesetzliche Anerkennung zu verschaffen, und hierin stiess er bei seinem Bundesgenossen, wie es scheint, auf keinen Widerstand[3]. Der alte Landsknecht verehrte die Götter in erster Linie als Schlachtenhelfer und Siegbringer. Da an der Milvischen Brücke auch für ihn der Beweis geführt war, dass Christus mehr vermöge, als die Dämonen, zu welchen Maxentius gebetet hatte, so war er nicht dawider, die Hilfe einer so mächtigen Gottheit auch für sich zu gewinnen[4], ohne dass

  1. Euseb. h. e. IX, 8, 2; 4; Symm. epist. I, 2, 7.
  2. Eumen. Paneg. IX, 2.
  3. Lact. de mort. pers. 48 = Euseb. hist. eccl. X, 5, 3.
  4. Von dem Wohlwollen des Licinius für die Christen spricht Sozom. I, 2; 7. Auch Lactanz preist in der Einleitung seiner Schrift de mortibus
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_324.jpg&oldid=- (Version vom 3.2.2023)