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war auch der Usurpator selbst verschwunden. Die näheren Umstände seines Todes wurden sehr verschieden erzählt[1]; wahrscheinlich war kein Augenzeuge, der sichere Kunde hätte geben können, mit dem Leben davon gekommen.

Der Sieg war ebenso schnell, wie vollständig gewesen; ein einziger, alles vor sich niederwerfender Ansturm auf die Brücken hatte die Schlacht begonnen und beschlossen[2]. In ein paar Stunden hatte sich ein Ereigniss vollzogen, das der Weltgeschichte auf Jahrtausende ihre Bahnen vorzeichnen sollte. Denn was der 28. October des Jahres 312 entschied, war nicht etwa die Herrschaft Constantins über Italien – diese bedurfte noch eines neuen schweren Kampfes –, wohl aber der Sieg des Christenthums im Römischen Reiche. Seine unmittelbaren Erfolge, so wichtig sie auch waren, wurden an historischer Bedeutung weit übertroffen durch die psychologische Wirkung, welche er auf den Sieger ausübte. Dass den Dämonen, welche sich unter den Namen des Jupiter und Apollo versteckten, Gewalt gegeben sei, unterlag für ihn, wie für seine ganze Zeit, keinem Zweifel. Hatten doch noch die Weissagungen, welche durch sie dem Maxentius ertheilt waren, sich als richtig erwiesen, wenn gleich in anderem Sinne, als er gemeint hatte. Constantin hat es daher nicht verschmäht, noch lange nachher bei Blitzschlägen, welche öffentliche Gebäude trafen, die Deutung der Haruspices einholen zu lassen[3]. Da der Gott der Christen nur selten die Zukunft verkündete und ihre Kenntniss dem Herrscher nicht zu entbehren schien, hat er die heidnischen Weissagekünste ebensowenig ganz bei Seite geschoben[4], wie Krieg und Blutgericht, welche der christlichen Moral gleichfalls für verwerflich galten. Auch in dieser Beziehung

  1. Eumen. Paneg. IX, 17; Nazar. Paneg. X, 30; Lact. de mort. pers. 44; Anon. Vales. 4, 12; Vict. Caes. 40, 23; epit. 40, 7; Zon. XIII, 1; Eus. h. e. IX, 9, 7; vita Const. I, 38.
  2. Nazar. Paneg. X, 30: ne pugna raptim gesta diutius narrata quam confecta videatur. Eumen. Paneg. IX, 17.
  3. Cod. Theod. XVI, 10, 1. Allerdings befiehlt der Kaiser hier nicht so sehr, als er geschehen lässt. Kurz vorher hatte er seine Missbilligung der heidnischen Mantik deutlich und klar in einem Gesetze ausgesprochen (v. Schultze, Zeitschr. f. Kirchengesch. VII, S. 517 ff.); doch halb schüchtern und nicht ohne ein gewisses Schuldbewusstsein blieb er für’s Erste noch dabei, auch den Teufel in den Dienst des Staates zu zwingen.
  4. Zos. II, 29, 1.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_320.jpg&oldid=- (Version vom 3.2.2023)