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Um die grossen Massen, welche ihm zu Gebote standen, schneller an den Feind zu bringen, liess Maxentius neben dem steinernen Pons Milvius eiligst eine Schiffbrücke schlagen[1]; dann führte er sein Heer über den Tiber und liess es etwa eine Meile stromaufwärts vorgehen, bis die Spitze Saxa Rubra, das heutige Prima Porta, erreichte. Hier, wo die Flaminische Strasse aus der Enge hervortritt, welche durch den Fluss und eine Kette steil abfallender Felsen gebildet wird, fand er seinen Vormarsch wahrscheinlich schon durch den Feind gehindert, als die Nachhut seiner langen Kolonne, bei welcher der Kaiser selbst sich befand, kaum die Brücken überschritten hatte. Die Heere standen sich jetzt in einer Stellung gegenüber, welche die Möglichkeit eines erfolgreichen Kampfes auf beiden Seiten ausschloss. Versuchte Maxentius unter den Augen der feindlichen Armee aus dem engen Passe zu debouchiren, so war seine Niederlage gewiss; aber auch Constantin konnte auf der Flaminischen Strasse, welche jetzt durch 100 000 Soldaten gesperrt war, nicht weiter vordringen. Es ist ein Verdienst, das ihn seines Glückes würdig zeigt, wenn er nicht, wie sein Gegner, zaudernd stehen blieb, sondern schnell entschlossen einen Ausweg suchte und fand.

Eine kleine Schaar zurücklassend, welche zur Schliessung des Passes eben genügte, überschritt Constantin ohne Weg und

    de mort. pers. 44; CIL. VIII, 9356; Hydat. fast. a. 312; Chronogr. v. 354 S. 148; Vict. epit. 40, 7; Eutrop. X, 4, 3; Zon. XIII, 1), nicht, wie Moltke annimmt, bei Saxa Rubra. Diesen Ort nennt einzig Vict. Caes. 40, 23, aber nicht um dadurch die Gegend des Schlachtfeldes zu bestimmen, sondern nur als den äussersten Punkt, welchen Maxentius’ Heer bei seinem Vormarsch aus Rom erreichte. Zweitens stand die Schlachtordnung des Tyrannen nicht mit dem rechten Flügel an den Fluss gelehnt, sondern mit dem Rücken gegen das Wasser. Auch dies ist durch zwei Zeitgenossen, die nichts von einander wissen und von denen der eine in Rom selbst lebte, also die genauesten Nachrichten einziehen konnte, ganz unzweideutig bezeugt (Eum. Paneg. IX, 16; 17; Nazar. Paneg. X, 28). Zudem bleibt es bei Moltke’s Auffassung ganz unverständlich, warum die Fliehenden sich alle zur Milvischen Brücke drängten. Stand die Linie des Heeres senkrecht auf dem Tiber, so musste die grössere Masse über das Hügelgelände auf den vaticanischen Stadttheil zurückgeworfen werden, hinter dessen Mauern sie leicht Schutz gefunden hätte. Dies Bedenken scheint übrigens auch Moltke selbst gekommen zu sein.

  1. Euseb. hist. eccl. IX, 9, 5; vita Const. I, 38; Zos. II, 15, 3; Vict. epit. 40, 7.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 316. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_317.jpg&oldid=- (Version vom 3.2.2023)