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erhobene und dreimal abgesetzte Herrscher, welcher aus allen Wechselfällen doch immer sein elendes Leben gerettet hatte, war zum Spott und Hohn der Unterthanen geworden; selbst die kaiserlichen Ehren, welche ihm Constantin noch immer erweisen liess, mussten ihn beleidigen. Bei seinem Schwiegersohn und seiner Tochter, die ihm mit höflicher Kälte begegneten, unter den Hofbeamten, deren knechtische Mienen ihre Verachtung des schimpflich Begnadigten kaum verbergen konnten, erlitt er stete Qualen der Reue und des ohnmächtigen Zornes. Es blieb ihm nur übrig, seine Schmach in ländlicher Zurückgezogenheit zu begraben oder ein noch tieferes Grab zu suchen. Er hatte Selbstgefühl genug, um das Zweite zu erwählen.

Die Pläne und Ideen Constantin’s wurden durch den Tod seines Schwiegervaters auf’s Empfindlichste durchkreuzt. Die Aufrechterhaltung und Festigung der dynastischen Thronfolge war bisher das leitende Princip seiner ganzen Politik gewesen, und jetzt sah er den Gründer seiner Dynastie und damit seine eigene Legitimität mit einem unauslöschlichen Makel befleckt. Wäre Maximian erst nach einigen Jahren erzwungener Ruhe gestorben, so konnte man seine Verbrechen und Thorheiten vergessen und seinem Andenken die göttliche Verehrung, welche dem Grossvater des regierenden Kaisers zukam, angedeihen lassen. So aber war sein Tod fast unmittelbar seinem Aufruhr gefolgt, und kein Mensch im Reiche zweifelte daran, dass Constantin ihn herbeigeführt habe. Jedes Leugnen war nutzlos; die einzige Rechtfertigung des Herrschers, welche man anerkennen musste, lag in der Verurtheilung Maximian’s. War er kein Tyrann und Usurpator, der sein Leben rechtlich verwirkt hatte, so wurde Constantin in den Augen des Volkes zum Mörder. So konnte dieser nicht umhin, die Verfluchung des Andenkens, welche bei Verbrechen dieser Art regelmässig die Todesstrafe zu verschärfen pflegte, auch über seinen Grossvater auszusprechen, seine Statuen umstürzen, seine Inschriften tilgen zu lassen[1]. Damit aber waren nach dem Staatsrecht jener Zeit alle seine Regierungshandlungen für nichtig erklärt, und zu diesen gehörte sowohl die Erhebung des Constantius, als auch die Verleihung des Augustustitels an

  1. Lact. de mort. pers. 42; Euseb. hist. eccl. VIII, 13, 15; vita Const. I, 47; Ephem. epigr. I, S. 123 ff.; CIGr. II, 2743.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_298.jpg&oldid=- (Version vom 2.2.2023)