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Macht weit überlegen war, auch an Würde nicht zurückstehe. Zugleich wünschte er die Familienbande, welche ihn mit dem Kaiserhause verknüpften, noch fester zu schlingen, indem er Fausta, die Tochter Maximian’s, die ihm schon als kleines Kind verlobt gewesen und jetzt zur Jungfrau herangeblüht war, endlich als Gattin heimführte. Beide Forderungen erschienen billig und wurden ohne Weiteres zugestanden.

Wäre der Plan, welchen Constantin damals wahrscheinlich hegte, unverändert zur Ausführung gekommen, so hätte die Verfassung des Reiches wohl folgende Gestalt gewonnen. Die Cäsarenwürde wäre ganz beseitigt gewesen. Vier jüngere Augusti hätten in derjenigen Vertheilung, welche thatsächlich schon bestand, das Reich verwaltet, aber die Einheit desselben hätte in einem fünften ältesten ihre Verkörperung gefunden, der ohne eigenes Gebiet über den Collegen thronte und ihnen seine Befehle austheilte[1]. Ihm hätte es auch obgelegen, den Ersatzmann zu bestellen, falls einer der Viere mit dem Tode abging[2]; doch wäre er, so lange Leibeserben der Kaiser vorhanden waren, in seiner Auswahl an diese gebunden gewesen[3]. Starb er selbst, so wäre der Nächstälteste an seine Stelle getreten und hätte seinerseits die Zahl des Collegiums vervollständigt. Dieser Verfassungsplan bewahrte von dem Diocletianischen System die Vierzahl der Verwaltungsbezirke und mit ihr die Allgegenwart der Kaisergewalt an jeder gefährdeten Grenze, ferner den entscheidenden Grundsatz, dass der Herrscher nur durch den Herrscher, nicht durch die Truppen zu erwählen sei. Auch die Regel, dass jeder Augustus, der lange genug lebte, vor seinem Tode in den Ruhestand treten müsse, war in gewissem Sinne aufrecht erhalten. Denn wenn beim Abscheiden seines Vordermannes der älteste von den übrigbleibenden Kaisern jedesmal auf die Verwaltung seines Reichstheils verzichten und dafür ein allgemeines Recht des höchsten Befehls und der Oberaufsicht eintauschen sollte, so erhielt er im Vergleich mit seiner früheren Thätigkeit eine Art von Ruheposten, welcher freilich sein Ansehen und seine Macht

  1. Die Stellung dieses ältesten Augustus skizzirt Eumen. Paneg. VI, 14; vgl. 3.
  2. Eumen. Paneg. VI, 7: tu potes imperium, Maximiane, donare, non potes non habere.
  3. Eumen. Paneg. VI, 2.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_280.jpg&oldid=- (Version vom 1.2.2023)