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nicht, schliesslich mit einer befriedigenden Antwort des Prinzen von Oranien nach Frankreich zurückzukehren. Eine persönliche Schuld traf dabei Estrades nicht, wie wir nach dem Zeugniss, das ihm der berühmte Holländische Staatsmann d’Aerssens ausstellt[1], urtheilen müssen; um so mehr mag seine Eitelkeit sich verletzt gefühlt haben.

In den gefälschten Briefen von Estrades treten nun die eigentlichen Französischen Gesandten in London und im Haag, Bellièvre und Estampes, ganz hinter Estrades zurück: die authentischen Briefschaften Richelieu’s bei Avenel a. a. O. ergeben, dass ersterer seit Ende 1637 ausschliesslich die Verhandlungen Frankreichs mit England leitete und ebenso Estampes der Hauptleiter der Französischen Politik in den Generalstaaten 1637 und in den folgenden Jahren gewesen ist, dem Estrades nur als Beihilfe überwiesen war. Letzterer aber tischt uns in seinen Lettres die wundersamsten Dinge auf: in seinen Unterhandlungen mit dem Prinzen von Oranien über den im Frühjahr 1638 zu eröffnenden Feldzug Frankreichs und Hollands gegen die Spanischen Niederlande bewilligt er erst nach langer Verzögerung dem Prinzen etwas, das sofort zu concediren ihn sowohl die gefälschte Instruction in den Lettres p. 11 wie die authentische bei Avenel VII p. 781 anwies. Und dafür erhält er von Richelieu das Lob: „On ne peut mieux servir le Roi que vous faites et vous vous êtes si bien conduit près de M. le Prince d’Orange que je vous témoigne avec joye la satisfaction que j’en ai“! 1 200 000 L. Subsidiengelder waren dem Prinzen von Oranien in dem Anfangs December 1637 von Vossbergen in Paris abgeschlossenen Vertrage[2] seitens Frankreich schon zugestanden worden: Estrades händigt in seinen Lettres (p. 17) auf Befehl Ludwigs XIII. 1 000 000 L. als jährliche Subsidie dem Prinzen ein und wird ausserdem ermächtigt, 200 000 L. (im ganzen sind es also 1 200 000) dem Prinzen zur Werbung von 4 Regimentern zu bewilligen. Komisch ist es, wenn der bekannte Staatssecretär Chavigny in einem Rencontre mit seinem Collegen Sublet des Noyers den diplomatischen Neuling um seine Fürsprache bei Richelieu angeht. Estrades versichert ihn derselben natürlich und zwar in so selbstbewussten Ausdrücken, dass wir einen merkwürdigen Begriff von dem Verhältniss Richelieu’s zu Estrades bekommen müssten, wenn nicht die inhaltlichen Ungereimtheiten die Briefe schon längst als späteres Machwerk erwiesen hätten[3].

  1. Archives ou Correspondance inédite de la Maison d’Orange-Nassau, hrsg. von Groen van Prinsterer. Ser. II. T. III p. 117.
  2. Revue historique III p. 292. Der Vertrag bei Aitzema, Historia Pacis p. 214.
  3. Der hier erwähnte Zwist Chavigny’s und Noyers’ mag auf Wahrheit beruhen, wie ja viel Wahres in die Briefe hineingearbeitet ist: er stimmt
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_151.jpg&oldid=- (Version vom 5.2.2023)