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Jünglings wohl imponiren. Der Ausschluss der Leibeserben, welchen der Sohn des Constantius aus naheliegenden Gründen nicht hätte billigen können, war ja damals in den politischen Katechismus des alten Kaisers noch nicht aufgenommen, so dass Constantin ihn in allen seinen Hauptpunkten zu dem seinigen machen konnte. Mit vollem Bewusstsein und klarer Absicht wurde er in allem ausser der Religionspolitik[1] der Fortsetzer Diocletians. Auch er hat seine Kriege entweder persönlich geführt oder durch seine Caesaren, nicht durch private Feldherrn, führen lassen; auch er hat Rom fast nur besucht, um dort Triumphe oder Jubiläen zu feiern, und fünfundzwanzig Jahre lang seinen Aufenthaltsort fortwährend gewechselt[2], wozu freilich die Unrast seiner lebhaften Natur gewiss ebensoviel beigetragen hat, wie seine Ueberzeugung von der Trefflichkeit des Systems. Als er dann endlich im Alter sich eine feste Residenz gründete, da wählte er dazu einen Ort, der von Nicomedia nur wenige Meilen entfernt war und die Vortheile der Lage, welche Diocletian zur Bevorzugung dieser Stadt veranlasst hatten, ganz ebenso, nur noch in erhöhtem Masse darbot. Sich schon bei Lebzeiten unter die Götter aufnehmen zu lassen, wie sein Vorgänger es gethan hatte, war dem Christen freilich versagt; dafür schmückte er sich zuerst mit dem Diadem[3], dem Abzeichen des orientalischen Königthums, nach dessen Staatsrecht die Unterthanen Eigenthum des Herrschers und dessen Macht über sie eine unbeschränkte war. Im wesentlichen behielt er also das Diocletianische Princip bei, nur dass er an die Stelle des Gottes den allmächtigen Menschen setzte, was praktisch dasselbe bedeutete. Auch die Mitregentschaft als solche erschien ihm heilsam, ja unentbehrlich, namentlich da es nur durch sie möglich war, die Thronfolge von den Launen der Soldatesca, welche im verflossenen Jahrhundert das Reich in so schwere Wirren gestürzt hatten, dauernd zu emancipiren. Ihr Wahlrecht gesetzlich abzuschaffen, hielt zwar auch er für gefährlich und wirkungslos, doch hoffte er, wie Diocletian, es auf

  1. Auf diese bezieht sich wohl der Tadel des Nazarius (paneg. X 4) gegen Diocletian, den Erzieher Constantins.
  2. Ueber die Aufenthaltsorte Constantins vgl. Zeitschr. f. Rechtsgesch. X S. 182 ff.
  3. Vict. epit. 41, 14. Die Richtigkeit dieser Nachricht bestätigen die Münzen, welche bei den Bildnissen Constantins zuerst das Diadem zeigen. Vgl. Euseb. laud. Const 5, 6.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_103.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)