Seite:De DZfG 1892 07 094.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

traf, wo ihm durch den Sieg über Maxentius die Uebermacht des Christengottes über die heidnischen Dämonen, deren Hilfe sein Gegner angerufen hatte, unzweideutig erwiesen schien.

Die Modernen schreiben den Uebertritt Constantins meist weltlichen Rücksichten zu, insofern mit Recht, als Sieg und Erdenglück, welche er von der Gunst seines Gottes erwartete, ja freilich weltliche Vortheile sind. Doch wer da meint, er habe die Religion als Mittel der Politik ausnutzen wollen, befindet sich gewiss im Irrthum. Ausser ihren Gebeten, deren Zauberwirkung man damals allerdings sehr hoch anschlug, hatten die Christen jener Zeit nichts zu bieten, was die Macht eines Kaisers wesentlich hätte vermehren können. Die technischen Namen, mit denen die Heiden von ihnen benannt wurden, waren pagani und gentiles, d. h. Bauern und Barbaren. Damit sind die Kreise bezeichnet, in welchen die alte Religion trotz einzelner christlicher Eindringlinge sich noch am unvermischtesten behauptet hatte. In der beweglichen städtischen Bevölkerung übte die Lust am Neuen und Fremden eine grössere Wirkung aus; die halbverstandenen Schlagworte der Griechischen Philosophie waren auch in die Massen gedrungen und hatten Zweifel an den alten Göttern wachgerufen, so dass hier der Boden für das Christenthum wohl vorbereitet war und es überall schnell Wurzeln fasste. Dagegen bildeten die Bauern damals, wie noch heute, das conservativste Element des Reiches; sie hingen an ihren Göttern, weil ihre Väter, so lange man denken konnte, sie ebenso verehrt hatten, und verhielten sich gegen das Christenthum ablehnend, weil es etwas Neues war. Und zu den Barbaren jenseit der Reichsgrenzen hatten sich bis dahin nur wenige Glaubensboten gewagt, und diese wenigen waren an den meisten Stellen gleichfalls auf die Vorurtheile von Bauern gestossen. Bauern und Barbaren aber waren es, welche Kaiser erheben und stürzen konnten; denn aus ihnen setzten sich die Heere damals fast ausschliesslich zusammen[1] Auch der hohe Adel des Senats, welcher

  1. Wie wenig zahlreich die Christen sowohl unter den Soldaten selbst als auch in denjenigen Theilen der Bevölkerung waren, welche für Aushebung und Werbung in Betracht kamen, ergibt sich am deutlichsten aus der bekannten Thatsache, dass zuerst Diocletian, dann Licinius sie vom Militärdienst ausschliessen konnten. Gewiss hätten beide sich vor einer solchen Massregel gehütet, wenn eine nennenswerthe Verminderung des Heeres dadurch eingetreten wäre.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_094.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)