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den Werken der Frömmigkeit und Mildthätigkeit den Kaiser zu vertreten[1]. Freilich hätte Constantin, der auf den Glanz seines Hofes grossen Werth legte, sie kaum in dieser Weise hervortreten lassen, wenn sie nicht verstanden hätte, die Pflichten der Repräsentation mit Tact und Würde zu erfüllen. Dass die ehemalige Gastwirthin sich einer solchen Aufgabe gewachsen zeigte, ist kein geringes Zeugniss für die geistige Bedeutung dieser Frau.

Es ist eine alte Wahrheit, dass jede Epoche sich die Talente gebiert, deren sie am meisten bedarf. Als das Römerreich nur noch durch die Faust eines Soldaten zusammenzuhalten war, trat in Constantin die vollkommenste Verkörperung des Soldatenthums an seine Spitze. Die eigenthümlichen Tugenden und Fehler jenes Standes, aus dem er hervorgegangen war, zeigt er in der seltensten Reinheit ausgeprägt. Er war keck und schneidig, leicht zu begeistern und immer zu hitzigem Dreinfahren bereit, aber zugleich in strenger Disciplin geschult, sein Interesse und seine Neigung dem Wohle des Ganzen unterzuordnen. Die strotzende Kraft, welche seine hohe Gestalt erfüllte[2], machte ihm die Aufregung der Gefahr zur höchsten Lust. Als Jüngling hat er zum Vergnügen gegen Löwen gekämpft[3] und einst an der Donau vor den Augen des Kaisers und seines Heeres einen tapfern Sarmaten im Zweikampfe bestanden[4]. Auch in den Schlachten seiner späteren Jahre hat er selten oder nie das kalte Blut bewahrt, um ruhig vom Feldherrnhügel aus die Entscheidung zu leiten; wo die Gefahr am grössten war, da stürmte er selbst an der Spitze seiner Truppen in den Feind hinein, theilte Wunden aus und empfing sie[5]. Bei einem Feldzuge gegen die Barbaren der Rheingrenze ging er einmal mit nur zwei Begleitern bis dicht an das feindliche Lager und knüpfte unerkannt ein Gespräch mit den Germanischen Kriegern an[6]. Es war der Reiz des Abenteuerlichen, für den seine lebhafte Phantasie nur zu empfänglich war, welcher ihn zu einem so seltsamen Wagestück getrieben hatte. Seine Kriegführung war immer die der schnellen Offensive. In kühnem

  1. Euseb. vit. Const. III 41 ff.
  2. Euseb. vit. Const. I 19, 2; III 10, 4; IV 53.
  3. Lact. de mort. pers. 24; Zon. XII 33; Praxag. bei Phot. bibl. 62.
  4. Anon. Vales. 2, 3; Eumen. paneg. VII 3; Zon. XII 33.
  5. Eumen. paneg. IX 9; Nazar. paneg. X 26; Anon. Vales. 5, 24.
  6. Nazar. paneg. X 18.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_084.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)