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Flavius Valerius Constantinus war als unehelicher Sohn[1] zu Naissus[2], dem heutigen Nisch in Serbien, am 27. Februar[3] um das Jahr 280 geboren[4], also bei seiner Thronbesteigung etwa fünfundzwanzig Jahre alt. Seine Mutter Helena war Gastwirthin gewesen, als sie Constantius, damals noch ein einfacher Officier, auf einer seiner Reisen kennen lernte[5] und zu wilder Ehe mit sich nahm. Ein Verhältniss dieser Art galt bei einem Weibe niederen Standes keineswegs für schimpflich. Nach Recht und Volksanschauung wurde ihre Frauenehre dadurch nicht verletzt; war doch Untreue der Concubine, wie die der ehelichen

  1. Zosim. II 8, 2; 9, 1; Zon. XIII 1; Hieron. chron. 2322. Vgl. Liban. epit. I p. 524; Chron. Pasch. a. 304.
  2. Firm. Matern. I 4; Anon. Vales. 2, 2; Steph. Byz. s. v. Ναϊσσός.
  3. CIL. I S. 379.
  4. Ueber das Alter Constantins gehen die Quellen in höchst auffälliger Weise auseinander. Nach Vict. Caes. 41, 15 starb er mit 62 Jahren, nach epit. 41, 15 mit 63, nach Euseb. vit. Const. I 5; 7–8; IV 53 mit 64, nach Zonar. XIII 4 mit 65, nach Eutrop (X 8, 2), dem Hieronymus folgt, mit 66 Jahren. Wie die aus niedrigem Stande hervorgegangenen Kaiser jener Zeit die Umstände ihrer Geburt überhaupt in Dunkel zu hüllen liebten (vgl. S. 42 Anm. 1), so scheint auch das Jahr derselben bei Constantin, wie bei Diocletian und Maximian (vgl. S. 48 Anm. 1), den Zeitgenossen unbekannt geblieben zu sein. Denn dass jene Altersangaben sämmtlich falsch sind, ergibt sich aus folgenden Zeugnissen: 1) Nach Eumen. paneg. VI 6 war Constantin bei seiner Verlobung mit Fausta, die nicht vor der Erhebung seines Vaters zum Caesar (293) stattgefunden haben kann, noch ein Knabe, und nach dem Römischen Rechte begann die Mannbarkeit schon mit dem vollendeten vierzehnten Jahre. 2) Als Constantin mit Diocletian durch Palästina zog, stand er eben auf der Grenzscheide zwischen Knabe und Jüngling. Dies bezeugt Eusebius (vit. Const. I 19), der ihn damals selbst gesehn hatte. Nach den Unterschriften der Verordnungen, durch welche wir über die Aufenthaltsorte Diocletians unterrichtet sind (Mommsen, Abhh. d. Berl. Akad. 1860 S. 443), fällt diese Reise frühestens in das Jahr 295. 3) Mehrere Zeitgenossen geben an, dass der Kaiser in aussergewöhnlich jugendlichem Alter den Thron bestieg (Naz. paneg. X 16 inito principatu, adhuc aevi immaturus, sed iam maturus imperio. Firm. Mat. I 4 a primo aetatis gradu imperii gubernacula retinens. Eumen. paneg. VI 5; 9; 13; VII 3; 17; 21; Lact. div. instit. I 1, 14). Dies passt kaum noch, wenn er damals schon das sechsundzwanzigste Jahr vollendet hatte, geschweige denn wenn er schon 30–34 Jahre alt war. Ich habe daher seine Geburt auf das J. 280 gesetzt, aber nur um eine runde Zahl zu wählen; sie kann auch ein bis zwei Jahre später fallen. In der Zeitschr. f. wissensch. Theol. XXXIII S. 68 bin ich durch zu grosse Rücksichtnahme auf Eusebius noch zu einem früheren Ansatz gelangt.
  5. Ambros. de obit. Theod. 42; vgl. Anon. Vales. 2, 2; Zos. II 8, 2; 9, 2.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_082.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)