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des Brittannischen Heeres zu bewähren und die Anhänglichkeit der Soldaten, welche dem Sohne ihres Kaisers auch ohnedies sicher war, noch durch Thaten zu befestigen. Kaum war der Sieg gewonnen und das Heer in das alte Legionslager von York zurückgeführt, so wurde Constantius, der schon lange kränkelte[1] vom Tode ereilt[2]. Seinem Erben fiel die Krone in den Schooss, ohne dass er die Hand danach auszustrecken brauchte.

Der Jüngling[3], welcher durch die Kaiserwahl vom 25. Juli 306[4] dazu berufen wurde, in dem gewaltigen Drama, das sich jetzt abspielen sollte, die erste Rolle zu übernehmen, ist später von der Geschichte mit dem Beinamen des Grossen geehrt worden, den sie nur sehr wenigen ihrer Helden und fast keinem mit Unrecht verliehen hat. Dürfen wir ihr Urtheil über Constantin auch heute noch bestätigen? Wohl hat er eine gewaltige Kraft uneigennützig in den Dienst eines idealen Reichsgedankens gestellt; aber dieses Ideal war das Hirngespinnst eines Andern, welches niemals gedeihliche Verwirklichung finden konnte. Wohl war er einer jener wenigen Feldherrn, die nie besiegt worden sind; doch die Vortheile, welche der Soldat errang, wusste der Politiker nicht immer auszunutzen. Aber mag das Menschliche und Kleine an ihm die grossen Eigenschaften auch vielleicht überwogen haben, er ist es doch gewesen, der in dem Christenthum die Macht der Zukunft, wenn nicht klar erkannte, so doch instinctiv ahnte, und dieses Eine muss für Vieles zählen. Wer es vermocht hat, Jahrhunderten ihre Bahnen vorzuweisen, der darf den Grossen der Geschichte beigezählt werden, auch wenn die entscheidende That vielleicht aus einer Auffassung der Religion entsprang, die uns heute kindlich erscheint.

  1. Lact. 20.
  2. Eumen. paneg. VII 7; Anon. Vales. 2, 4; Eutrop. X 1, 3; 2, 2; Vict. Caes. 40, 4; Zon. XII 33; Euseb. hist. eccl. VIII 13, 12.
  3. Für die folgende Charakteristik Constantins sind die Hauptquelle natürlich seine Thaten, wie sie weiter unten zu berichten sein werden. Soweit einzelne Züge direct überliefert sind, ist in den Anmerkungen auf die Belegstellen verwiesen. Die Urkunden der Vita Constantini habe ich nicht benutzt, weil ich sie mit Crivellucci (Della fede storica di Eusebio, Livorno 1888) fast alle (eine unbedeutende Ausnahme IV 35) für gefälscht oder doch für sehr zweifelhaft halte. Die Schlüsse, welche sich aus den echten Urkunden ergeben, hat zum grössten Theil schon Seuffert (Constantins Gesetze und das Christenthum, Würzburg 1891) gezogen.
  4. CIL. I S. 346; 347; Hydat. Fast. 306; 335; Socrat. I 2.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_081.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)