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auch der Römische Kaiser seine Unterthanen als rechtlose Sclaven betrachten müsse, und handelte demgemäss. Vor seinem Richterstuhle schützte kein Standesprivileg gegen die Tortur oder diejenigen Strafen, welche nach dem Gesetz nur gegen Sclaven und Vagabunden anzuwenden waren[1]; Rechtswissenschaft und Advocatur hätte er am liebsten ausgetilgt. Und wie der Kaiser selbst sich jede Willkür gestattete, so erlaubte er das Gleiche auch den richterlichen Beamten, welche er meist aus den ungebildeten Soldaten seines Gefolges ernannte[2]. Waren Diocletian und Maximian grausam, wo es ihr Vortheil gebot, so ergötzte sich Galerius in widriger Freude an den Qualen seiner Opfer und war erfinderisch darin, sie zu verlängern und zu verschärfen[3]. In seiner Jugend war er Viehhüter gewesen[4], was damals fast gleichbedeutend mit Räuber war, und die zügellose Wildheit dieses Standes hat er niemals abgelegt. Freilich hatte seine abenteuerliche Vergangenheit auch einen Muth, der sich oft bis zur Tollkühnheit steigerte, in ihm grossgezogen. Noch als Kaiser ist er mitunter nur von einzelnen Reitern begleitet persönlich auf gefährliche Recognoscirungen ausgezogen, und seine Niederlage im Beginn des Perserkrieges hatte nur darin ihren Grund, dass er mit einem kleinen Heere den weit überlegenen Feind anzugreifen wagte[5]. Als er in die Armee eingetreten war, musste diese Tapferkeit bald die Augen der Vorgesetzten auf ihn hinlenken; fiel er doch schon durch seine hohe Gestalt und aussergewöhnliche Schönheit auf[6], welche damals noch nicht, wie in späteren Jahren, durch übermässige Dickleibigkeit entstellt war[7]. Schnell war er emporgestiegen, um endlich auf den Thron selbst berufen zu werden. Masslos im Hasse, wie in seiner abergläubischen Götterverehrung[8], von rücksichtsloser Herrschsucht und starker Energie, unbedenklich bereit, Dankbarkeit, Pflicht und Vaterlandsliebe dem egoistischen Interesse seiner Person zu opfern, ist er für das Römerreich zum Manne des Verhängnisses geworden. Aber gerade Naturen von dieser wilden, thatkräftigen Leidenschaftlichkeit scheinen auf den stillen Grüblergeist Diocletians

  1. Lact. l. l. 21.
  2. Lact. l. l. 22.
  3. Lact. l. l. 21; 22; 23.
  4. Vict. epit. 40, 15; vgl. Caes. 39, 24.
  5. Eutrop. IX 24; 25; vgl. X 2, 1; Vict. epit. 40, 15.
  6. Lact. l. l. 9; Vict. epit. 40, 15.
  7. Euseb. hist. eccl. VIII 16, 4; vit. Const. I 57, 2; Lact. l. l. 9.
  8. Lact. l. l. 11; Eus. hist. eccl. VIII append. 1.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_068.jpg&oldid=- (Version vom 30.1.2023)