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Joanes de Urbieta mit Namen, ans Guipuzcoa, trat zu ihm heran, setzte ihm das Schwert in die Fuge des Panzers und forderte ihn auf, sich zu ergeben. Darauf sagte der König französisch: »Das Leben, ich bin der König«. (La vida, que soy el rey). Urbieta verstand es und forderte ihn nochmals auf sich zu ergeben. Darauf der König: »Ich ergebe mich dem Kaiser«. Als der Spanier nun aufblickte, sah er den Fahnenträger seiner Compagnie umdrängt von Franzosen und hielt es für seine Pflicht, ihm zu Hilfe zu eilen. Er konnte dem Könige daher kein Pfand seiner Ergebung abnehmen, sondern bat ihn, sich sein Gesicht an einer Zahnlücke zu merken. Während Urbieta den Fahnenträger heraushieb, kam ein anderer Spanier, Diego de Avila aus Granada, und eilte auf den König zu. Der König sagte ihm, wer er sei, und dass er sich schon dem Kaiser ergeben habe. Als Avila weiter fragte, ob er schon ein Pfand für seine Ergebung gegeben habe, und der König verneinte, bat er es sich aus, und jener gab ihm das blutige Schwert und einen Handschuh. Dann suchte er ihn von dem Pferde zu befreien, wobei ihm ein Gallego, Namens Pita, behilflich war; dieser eignete sich den Michaelsorden, den der König um den Hals trug, an, und obwohl Franz ihm 6000 Dukaten für denselben bot, zog er es dennoch vor, ihn dem Kaiser zuzustellen. Als der König schon auf den Füssen stand, kamen andere Soldaten hinzu, welche nicht glaubten, dass es der König sei, sondern ihn tödten wollten. Da kam glücklicher Weise Herr de la Motte, ein Edelmann Bourbons, hinzu, der dem Streite ein Ende machte, indem er vor Franz I. das Knie beugte, ihm die Hand küsste und so jeglichen Zweifel behob. Jetzt eilten auch andere Soldaten herbei, welche dem König seinen Helmbusch und das Fähnchen, das er auf dem Helme trug, nahmen und ihm sein Wamms stückweise vom Leibe rissen, um ein Andenken zu behalten. Franz gab sich Mühe, heiter zu erscheinen, und lachte sogar über die Spässe der Soldaten. Als sich die Kunde von der Gefangenschaft des Königs verbreitete, eilten die Feldherren, ihn zu sehen, zuerst Pescara, nach dessen Ankunft La Motte sich aufmachte, Bourbon zu holen, dann Lannoy, dann Guasto, zuletzt Bourbon. Schliesslich setzte man dem König den Hut des Vicekönigs auf[1], und so ritt er auf einem schlechten Pferde, abgesehen von Helm und Handschuhen ganz in Rüstung, jedoch ohne Sporen, auf Pavia zu, wurde aber dann auf seine Bitte nicht in die Stadt, sondern in das Paulskloster vor derselben verbracht.“ – So Caravajal.

  1. Chapeo, sagt Caravajal; un bonnet de velours, Séb. Moreau (bei Champollion, a. a. O. S. 80). Dieser geschwätzige, phantasiereiche Autor ist als Quelle nur mit grosser Vorsicht zu benutzen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_370.jpg&oldid=- (Version vom 24.1.2023)