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Lambert’s Bericht widerspricht dem Altaicher in allen Punkten, eine Combination beider ist ausgeschlossen. Dieses beweist schon der Eingang. Nach Lambert haben sich die Verschworenen längere Zeit am Hofe aufgehalten, bis sie endlich zum Werke schreiten, während sie nach den Altaicher Annalen unversehens am Hofe erscheinen und sofort den Raub ausführen. Gesetzt auch, diese Nachricht Lambert’s beruhe auf einem Irrthume, so scheitert die Verbindung beider Erzählungen an der Unmöglichkeit, die von dem Altaicher und von Berthold angeführte Wegnahme der königlichen Insignien aus der Kapelle in Lambert’s Darstellung einzuschalten. Die Mitführung der Insignien steht ausser allem Zweifel, da sie, von der zweimaligen Erwähnung in den Quellen ganz abgesehen, selbstverständlich ist; der mittelalterlichen Anschauung gemäss konnte nur derjenige als der rechtmässige und anerkannte Machthaber gelten, der im Besitze der königlichen Insignien war. Es sind nur drei Möglichkeiten für die Einfügung vorhanden; erstens: vor der Entführung des königlichen Knaben; zweitens: gleichzeitig mit derselben; drittens: nach derselben. Den zweiten und dritten Fall schliesst Lambert’s Erzählung selbst aus, weil sich, wie er berichtet, alle diejenigen, „quos episcopus factionis suae socios ac ministros paraverat“, auf dem Schiffe befanden, mit welchem der König entführt worden sein soll. Nach Lambert ist Niemand vorhanden, der die Insignien aus der Kapelle fortgeschafft haben könnte. – Der erste Fall ist geradezu undenkbar, denn der Raub der Reichsinsignien aus der königlichen Pfalz, der ohne Anwendung von Waffengewalt nicht ausführbar war, hätte doch die Aufmerksamkeit des Hofes in hohem Masse erregen müssen[1].

    könnte: „regem puerum violenter et industrie captum“; doch scheint es mir nicht unbedingt nothwendig, hierbei an die von Lambert erzählte Geschichte von dem geschmückten Schiff zu denken, da sich das „industrie“ ganz gut auf die Veranstaltung im allgemeinen beziehen kann. – Bei diesen vielen Zeugnissen ist das argumentum ex silentio gegen die listige Entführung immerhin von Bedeutung. Die Stellen sind nach Meyer von Knonau (I p. 277 Anm. 77) citirt.

  1. Uebrigens enthält Lambert’s Erzählung selbst eine Reihe von Seltsamkeiten. Zuerst fällt auf, dass Niemand gewagt hat, den König zu befreien. Bei den Altaicher Annalen ist dies natürlich, da der Hof mit grosser Ueberzahl überrumpelt wurde. Nach Lambert waren ja Schiffe in
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 343. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_343.jpg&oldid=- (Version vom 23.1.2023)