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sich damit die letzten Räthsel der typischen Gestaltungsform der Anklagereden in den Annalen lösen (Diss. S. 75).

Carmen I, pag. 98: „Leges redde tuis ablataque patria iura!“ mag Lambert’s: „suas leges tutas inviolatasque manere pateretur“ und „legitima a primis temporibus constituta“ veranlasst haben. Eine Sallusteische Reminiscenz (Diss. S. 91) kann nebenbei noch eingewirkt haben.

Bezeichnend ist, dass Lambert in Bezug auf die Güter der Sachsen das Verhältniss einfach umdreht (ähnlich der Vita Sturmi gegenüber). Im Carmen sind es die Fürsten, welche durch Raub Güter an sich gerissen haben, in den Annalen der König. Carmen I, 64: „Illi, ne perdant quae plurima rapta tenebant“. Lambert pag. 118: „patrimonia nobis per vim erepta“ und 115: „ut principibus Saxoniae, quibus sine legitima discussione bona sua ademerat, – – – satisfaceret“[1].

An Stelle der sachgemässen Antwort des Carmen (I, 52–60) erscheint bei Lambert einfach der Typus: leviter et contemptin legatis respondit nihilque certi reportantes dimisit (Diss. S. 104). Die Carmen-Antwort gab die directe Erwiderung auf die vorausgegangene Rede der Sachsen. Da Lambert für dieselbe, wie wir sahen, etwas Anderes eingesetzt hatte, konnte er hier mit den Worten des Königs nichts anfangen, er bringt sie an einer anderen Stelle. (Darüber auch Pannenborg. S. 106). Pag. 110: bei ähnlicher Situation – Klagen der Sachsen, Antwort des Königs –

Carmen I, 53.
     
Lambert pag. 110.
 Nec quisquam frustra queritur
 mihi vindice digna.
Non vestras leges, non ius
 discindere quaerens,
Passis usque modo miseris vim
 rapta reposco.
 – – – dicente rege, ista eos pro iniusta decimarum retentione pati, seque, tamquam vindicem causae Dei, necessario armata manu eos cohercere, qui legibus ecclesiasticis sponte nollent adquiescere.

  1. Lambert verschweigt den Namen des Sächsischen Redners (Meginfridus), welchen das Gedicht anführt. An und für sich ist dies nicht auffällig; ähnlich in der Vita Lulli, wo c. II (Mon. Germ. SS. XV p. 136) Lambert den Namen der Base Lull’s Berthgit, die in seiner Vorlage Othlo lib. II c. 25 erwähnt war, nicht nennt, wohl aber ganz unmotivirt den ihrer Mutter. Uebrigens konnten ihm, da vor dem 29. Juni keine Gesandtschaft an den König abgeschickt wurde, Erkundigungen über Meginfrid nur ein negatives Resultat liefern.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_331.jpg&oldid=- (Version vom 23.1.2023)